Ich habe einem Freund Abbitte zu leisten.
Ich tue es öffentlich, erstens um ihm größere Genugtuung zu bereiten, zweitens um von meiner Zerknirschung öffentlich Zeugnis abzulegen, drittens um die übeln Folgen meiner Tat in dem ganzen Umkreis abzuschwächen, in dem sie sich etwa bemerkbar machen konnten.
Ich wußte, daß mein Freund ein vorzügliches Werk über Sportseefischerei besaß. Ich erinnerte mich deutlich, es vor zwei Jahren bei ihm durchblättert zu haben. Jetzt hätte ich es gebraucht, um einige persönliche Erinnerungen und Notizen zu kontrollieren und ich bat es mir von meinem Freund auf einen Tag aus.
Er war geschmeichelt, daß ich auf ihn in einer solchen Sache zurückgriff. Er versteht sehr viel vom Seefischereisport und er machte sich ein Vergnügen daraus, mir das Werk zur Verfügung zu stellen.
Er sagte, er brauche nur die Hand darauf zu legen. Da stehe es! Und dabei deutete er mit Zeigefinger in den Raum.
Einige Tage später begegnet ich ihm. Er war untröstlich. Er hatte das Buch nicht gefunden. Natürlich. Weil es, wie er sich jetzt erinnerte, in der Bibliothek seiner Sommerwohnung stand. Aber er müsse sowieso dieser Tage hinfahren und werde es mitbringen.
Ich sah ihn seither nicht wieder, erfuhr aber durch gemeinsame Freunde, was vorgegangen war.
Er hatte das Buch wie verzweifelt gesucht und nicht gefunden. Auch nicht in der Sommerwohnung. Darauf hatte er seine sämtlichen Familienmitglieder, bei seiner Schwiegermutter angefangen, beschuldigt, ihm das Buch veruntreut zu haben. Seine Schwiegermutter empfand es als eine Beleidigung, daß man sie des Interesses für Seefischereisport verdächtigen konnte, und drohte, das Haus meines Freundes für immer zu meiden. Das Zimmermädchen kündigte. Sie sei eine anständige Person. Die Köchin, der er auf den Kopf zugesagt hatte, sie schmökere in seinem Bücherschrank, rächte sich in ihrer Einflußsphäre durch versalzene und angebrannte Gerichte.
Er schrieb an den Verlag um ein neues Exemplar. Die Auflage war vergriffen und eine neue würde nicht mehr gedruckt, bei den teuern Herstellungspreisen!
Umso untröstlicher war mein Freund.
Er glitt allmählich in die Geistesverfassung des Menschen, dem irgend etwas Wertvolles auf unaufgeklärte Weise abhanden gekommen ist und der nicht zu bestimmen weiß, nicht einmal annähernd, wann im Verlauf von zwei Jahren der Verlust stattgefunden hat. Daß es vor zwei Jahren noch vorhanden war, konnte ich ihm bezeugen. Inzwischen war alles möglich gewesen. Alle Hypothesen ließen sich vertreten. Das Mädchen konnte das Buch zum Feueranmachen benutzt haben. Oh diese Frauenzimmer! Und darüber hinaus öffnete sich das Gebiet des Verdachts grenzenlos, uferlos, die Tapezierer, die Glaser, die Elektriker, die Gasleute, die Ofensetzer - alle gerieten bei meinem Freund in den Verdacht, insgeheim der Sportseefischerei zu huldigen und sich in den Besitz des Werkes gesetzt zu haben. Man kann nie wissen.
Gestern fand ich den Band unter einem Stapel anderer Bücher, die sich seit zwei Jahren darüber angehäuft hatten, auf einem Brett in meinem Bücherschrank, wo ich ein anderes Buch suchte, das ich vor zwei Jahren einem andern Freund geliehen hatte, das mir dieser aber inzwischen zurückgebracht hat und das nun im Begriff ist, an mir das Werk über Seefischereisport blutig zu rächen. Es ist unerhört, wen ich alles im Verdacht habe, mir dieses Buch - es ist eine Lebensbeschreibung des Buddha - heimtückisch ausgeführt zu haben.
Einerlei, meinem Freund gegenüber, der mir damals die Sportseefischerei geliehen und m ganz darauf vergessen hatte, habe ich mein G entbürdet. Morgen schicke ich ihm das Buch und ich hoffe, daß seine Schwiegermutter dann die Drohung zurücknehmen wird.