Original

23. Januar 1923

Da wir nun in das Jahr eingetreten sind, das uns am 24. Juli die Jahrhundertfeier des Geburtstages von Dicks bringt, so ziemt es sich, im Hinblick auf den Festtag von Zeit zu Zeit die Rede darauf zu lenken.

Vielleicht finden die Leser Interesse an folgendem Passus aus einem Vortrag, den der Schreiber dieser Zeilen vor einigen Jahren über den Lebenslauf des Dichters im Volksbildungsverein gehalten hat und zu dem ihm das Material zum Teil noch von Edm. de la Fontaine selbst oder dessen Gattin und Altersgenossen geliefert wurde.

„Woher der Name Dicks stammt, das hat mir Frau de la Fontaine selbst wie folgt erzählt:

Als Edmund de la Fontaine noch ein ganz kleines Bübchen war, empfing sein Vater, der damals Advokat und Mitglied der Provinzialstände für den Distrikt Luxemburg war, eines Tages den Besuch eines deutschen Bekannten. Die Kinder des Hauses spielten auf dem Flur und mit einemmal rollt der Kleinste dem Fremden zwischen die Füße.

„Nanu!“ sagte der Besucher. „Was ist denn das für ein lustiges kleines Dickeschen?“

Von da ab wurde der kleine Edmund von allen im Haus das Dickeschen und später der Dicks genannt.

Um dieselbe Zeit erkrankte er an den Röteln, von denen ihm zeitlebens seine Infirmität verblieben ist. Sein linkes Bein blieb im Wachstum zurück, aber auf seinen Humor und seinen Charakter hat das nie die mindeste Wirkung gehabt. Auch körperlich wußte sich Dicks so tapfer über den Defekt hinwegzusetzen, daß er ein tüchtiger Schwimmer wurde und während seiner Remicher und Stadtbredimusser Zeit mehr als einmal die Moselbewohner durch seine Fertigkeit und Ausdauer im Schwimmen verblüffte.

Dicks hatte jedenfalls eine glückliche Kinderzeit. In jenem großen Eckhaus am Wilhelmplatz lebte eine ganze Kinderschar zusammen, seine Geschwister, die Kinder des Dr. Dutreux und der Eugenie de la Fontaine, die beide jung gestorben waren, und dazu noch allerlei junge Vettern und Kufinen.

Sonntags zog der ganze Haushalt nach Limpertsberg, wo der Vater de la Fontaine ein prachtvolles Besitztum eingerichtet hatte, das sogenannte „Lasontengsböschelchen“, das Herr Henry de la Fontaine, ein Neffe des Dichters, später ausgebaut hat und heute bewohnt.

Auch wochentags brachte Dicks dort viele Stunden der Erholung zu. Sein Spielgenosse war damals jener Wittenauer, der später erblindete und vor zirka zwanzig Jahren hier in Luxemburg als Rentner starb.

Weil Dicks im Gehen behindert war, hatte sein Vater ihm ein Wägelchen angeschafft, das mit einem Esel bespannt war und mit dem er aus der Stadt nach dem Limpertsberg und zurück kutschierte. Das machte ihn schon als Kind zu einer bekannten Figur in der Stadt.

Draußen auf Limpertsberg stand ein Wirtshaus, das „beim Kadusch“ hieß und wo die Metzger, wenn sie vom Viehhandel kamen, einzukehren und einen Schoppen zu trinken pflegten, ehe sie nachhaus gingen. Bei diesen war der kleine Dicks sehr beliebt, weil er ihnen gelegentlich ein Kälbchen auf seinem kleinen Wagen in die Stadt fuhr. Und wenn einer ihm hätte etwas zuleid tun wollen, so hätte er es mit der ganzen Metzgerzunft zu tun bekommen.

Franz Heldenstein, der den Dichter in seiner Jugend kannte, erzählte mir, daß eines Tages eine preußische Schildwache am Neutor dem Esel heimlich ein Stückchen brennenden Zunder ins Ohr steckte. Das Grautier nahm Reißaus und war nicht mehr zu bändigen. Sporenstreichs rannte es mit dem kleinen Wagenlenker und seinem Spielgenossen durch die Stadt, über den Krautmarkt, an der Kammer vorbei in einen Porzellanladen, der sich in dem Haus neben dem nachmaligen Eisengeschäft Printz befand. Später wurde das Langohr durch ein schwarzes Pferd ersetzt, das in der Stadt bald ebenso bekannt wurde.“

Die Tatsache, daß sich derartige kleine Erlebnisse aus der Kindheit des Dichters im Gedächtnis seiner Zeitgenossen so lange erhalten haben, ist der beste Beweis dafür, daß er später mit seinen Werken zum Liebling des Volkes geworden war. Es ist kein Wunder, daß nach der Aufführung des ersten Stückes von Dicks, dem „Scholdschein“, die Firma Adolph Cary eine Marke Portorico auf den so rasch populär gewordenen „Schueschtegfeer vum Ro’scht“ taufte und die Düten mit dem Bild schmückte, das der Maler Sinner aus Ettelbrück für die erste ScholdscheinAusgabe gezeichnet hatte, und daß im „Luxemburger Wort“ ein Korrespondent den Vorschlag machte, die Stadt sollte im alten Cercle ein Dickstheater einrichten, weil alle jungen Leute jetzt ja doch Schauspieler geworden seien.

Später mehr.

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KatalognummerBW-AK-011-2320