Original

31. März 1923

In der «Voix des Jeunes» sprechen sich Albert Hoefler und Pol Michels über das Phänomen Norbert Jacques aus. Hoefler nimmt zu ihm literarisch Stellung, Pol Michels sozusagen politisch und menschlich. Er ergreift „Partei für einen der wertvollsten Luxemburger gegen alle Spießbürger des Großherzogtums“ und sagt zu ihm: „Komm, nimm dein Kreuz! Wir treiben keinen fort von unserm Leibensweg.“

Norbert Jacques hat es längst mit sozusagen allen seinen luxemburger Freunden verschüttet. Jenem Ehrenreitungsversuch der «Voix des Jeunes» gegenüber lohnt es sich nun zu sagen, warum, und daß man nicht grade ein Spießbürger zu sein braucht, um mit diesem Landsmann gebrochen zu haben.

Schriftstellerisch ist er von der deutschen Kritik längst so eingehend gewertet, daß Herr Hoefler uns über ihn nichts Neues zu sagen hat.

Sein Verhältnis zu seinem Geburtsland ist anscheinend noch in der Weiterentwicklung begriffen. Er hatte den Ekel, den ihm zur Pubertätszeit seine engste Umgebung eingeflößt zu haben scheint, auf alles projiziert, was den Luxemburger Namen trug, und war von seinem ersten Studiensemester in Deutschland nicht wieder heimgekehrt. Daß er in manchen seiner Werke Personen und Verhältnisse der Heimat lächerlich und verächtlich machte, haben wir ihm gerne verziehen. Daß er bei Ausbruch des Krieges sich zum Kampf gegen Frankreich unter die deutschen Fahnen stellen wollte und als Ausländer zurückgewiesen wurde, löste nicht nur in Luxemburg ein Achselzucken aus, das jeder nach Belieben deuten konnte. Wäre er wirklich eingezogen und in die Schützengräben geschickt worden, so ließe sich mit jener Geste zu seinem Vorteil etwas mehr anfangen. Kurzum, wegen dieser Episode sind wir ihm auch nicht gram.

Aber er hat im Kriege etwas geian, was uns dauernd den Wunsch eingegeben hat, jedes menschliche Verhältnis zu ihm zu lösen.

Er ist auf einen Paß hin, der ihm nicht rechtmäßig gehörte, nach England gefahren und hat sich nachher in deutschen Blättern gerühmt, daß er als Luxemburger sich nach England hatte Eingang verschaffen können. Wie er über das dort Gesehene berichtete, tann man sich denken.

Was geschehen mußte, geschah. Luxemburg und die Luxemburger kamen bei England - um nur von diesem zu reden - in den Verruf der gemeinsten Doppelzüngigkeit, Charakterlosigkeit und Verräterei, weil Herr Norbert Jacques das Bedürfnis empfunden hatte, sich Deutschland gegenüber als wertvollen Stimmungmacher zu empfehlen und dabei seine Zugehörigkeit zu Luxemburg herauszustreichen, die ihm die Ausspitzelei in England ermöglicht hatte.

Dieses war ein Schwabenstreich oder es war sehr viel schlimmer. In beiden Fällen baut der kluge Mann vor und löst das Verhältnis mit einem, der ihn solchergestalt kompromittieren kann.

In der «Gazette de Lausanne» erschien damals eine Zuschrift von einem Luxemburger in Italien, der sich auf jenen Fall bezieht: „Mein Herz ist betrübt durch eine peinliche Tatsache, die sich auf unser kleines Volk bezieht, und auf die ich hinweisen wollte, um zur Sicherheit meiner Landsleute und zum Schutz ihres Ansehens beizutragen.“

Der Einsender schildert den Hergang, sogar ohne das Detail des unrechtmäßig erworbenen Passes, und stellt an Hand persönlicher Erfahrung und Dokumentierung fest, wie die Luxemburger in England unter den Folgen jener Geschichte zu leiden hatten.

Ein anderer Luxemburger, der zu jener Zeit in London lebte, bestätigte mir dasselbe vor kurzem in einem Gespräch.

Hätte Norbert Jacques gestohlen oder getötet, man hätte ihn lieb behalten können. Seine Ausfälle gegen Luxemburg und die Luxemburger tragen wir ihm auch nicht nach, über seine oft verkündete Liebe zu Deutschland, die ihn dazu veranlaßt, dicht an der deutschen Grenze auf schweizer Boden sich anzusiedeln, zucken wir internationalistisch die Achseln - aber wenn man in eine Gemeinschaft, sie mag noch so klein und bescheiden sein, hineingeboren ist, und gefährdet aus kleinem oder großem Eigennutz in schwerster Zeit und heimtückisch die Interessen dieser Gemeinschaft, so macht man sich lächerlich, wenn man hinterher mit Sehnsucht und Heimweh nach derselben Gemeinschaft kokettiert.

Dies sind harte Worte, aber sie waren nötig, damit man uns mit ferneren Versuchen in der Art des eingangs erwähnten verschont.

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  • Literature: Norbert Jacques
KatalognummerBW-AK-011-2369