„Der Tote auf Madeira“ heißt ein soeben erschienenes Memoirenbuch, in dem Karl Werkmann, der letzte Sekretär des letzten Kaisers von Österreich die letzten Jahre des unglücklichen Monarchen schildert. Selten hat sich die Tragik des hier dreimal wiederholten Wortes so grausam ausgewirkt, wie im Leben dieses Mannes. Auf das Buch wird zurückzukommen sein, für heute wird es die Leser interessieren, wie der Verfasser unter andern die auch hier bekannte Persönlichkeit des Prinzen Sixtus von Bourbon-Parma wertet. Er schreibt:
„Prinz Sixtus ist offenherzig, klug, kenntnisreich, zähe. Er hat das Talent Menschen anzuziehen und festzuhalten. Ein glänzender Gesellschafter, witzig, manchmal sarkastisch. Er ist Franzose mit Leib und Seele. Den Titel eines Docteur en droit erhielt er für eine Dissertation, mit der er bewies, daß ein Bourbon immer Franzose ist. Er sah (und sieht wohl noch) in Deutschland den Feind Frankreichs. Österreich-Ungarn gegenüber war er von keiner Animosität beseelt. Die Erinnerungen an die hier verbrachten Kinderjahre und die Tatsache, daß seine Schwester Kaiserin von Österreich, Königin von Ungarn geworden ist, machten ihn für die Schmerzen der Doppelmonarchie empfänglich. Die Schwierigkeiten ihrer inneren, die Zwangsläufigkeit ihrer äußeren Politik während des Weltkrieges begriff er besser als die meisten Staatsmänner der Entente. Er fühlte sich als Nachfahre von Königen, denen Frankreich Jahrhunderte voll Glanz und Ruhm verdankte. Das Pflichtgefühl und der Ehrgeiz des Bourbon ließen ihn auch im Kriege daran denken, Frankreich größere Dienste zu erweisen, als ein anderer Franzose zu leisten vermöchte. Prinz Sixtus wünschte den Sieg Frankreichs gegen Deutschland wie irgendeiner seiner Mitbürger. Er wollte aber auch seinem Vaterlande einen Teil der Blutopfer ersparen, die er auf den belgischen Schlachtfeldern genugsam kennen gelernt hatte. Verwehrte es ihm das französische Prätendentengesetz, unter den Fahnen eines französischen Regimentes zu kämpfen, so sah er sich doch nicht des Rechtes beraubt, dem Lande den Frieden so bald als nur irgend möglich zu geben. Er hat in dieser Beziehung menschlicher gefühlt und klarer gesehen als die während des Krieges am Ruder gewesenen französischen Staatsmänner, die die Friedensverträge aus den Aschenresten Europas holten. Auch Kaiser Karl wollte den Frieden, für Österreich-Ungarn den denkbarst günstigen natürlich. Die Friedensliebe des Prinzen und seine Unvoreingenommenheit gegenüber Österreich-Ungarn waren die Seiten im Wesen des Prinzen Sixtus. die es Kaiser Karl gestatteten, ihn zum Friedensboten zu erwählen. Seine Stellung im feindlichen Lager, seine Fähigkeit, mit den führenden Persönlichkeiten der Entente zu sprechen, machten ihn zum besonders geeigneten Mittler zwischen Wien und Paris.“
Soweit der Verfasser des „Toten auf Madeira“ In diesem Charakterbild des Prinzen Sixtus fällt ein Satz auf, der beweist, aus wie ganz anderer Parallaxe, als der gewöhnliche Politiker Mitteleuropas, der Verfasser die Dinge sieht. Er scheint es als eine zu betonende Besonderheit zu empfinden, daß Prinz Sixtus „in Deutschland den Feind Frankreichs“ sah und wohl noch sieht. Demnach wäre es interessant, zu erfahren, ob Herr Werkmann diese Ansicht des Prinzen Sixtus nicht teilt und besonders, warum er sie nicht teilt.