Original

13. April 1923

„Ein Juwel“ haben sie oft unsern Stadtpark genannt. Nun hat sich dieser Tage am Horizont die Möglichkeit gezeigt, daß diesem Juwel Gefahr drohen könnte. In den Zeitungen war davon die Rede, daß allerlei Auktoritäten die jüngsten Arbeiten im Park besichtigt und in Ordnung gefunden hatten. Dabei war unter anderm lobend erwähnt, daß stellenweise längs des Philosophenweges die Tannen gefällt und durch allerhand andere gar nette Pflanzungen ersetzt waren.

Dies läßt darauf schließen, daß irgendwo an maßgebender oder unmaßgebender Stelle das Verständnis für die Sonderart unseres Parks und seiner verschiedenen Teile verloren gegangen ist. Botaniker, Wissenschaftler, Gärtner suchen ihm jeder von sich aus ein Neues zu schenken, man will da allerhand zierliche und interessante Sachen und Sächelchen machen, die an und für sich sehr schön sein mögen, die aber vielleicht nicht dahin passen, wohin sie gedacht sind.

Diese Tanneneinfassung am Philosophenweg entlang zum Beispiel ist nicht derart, daß sie, sei es auch nur stellenweise, durch allerhand niedliche Pflanzungen ersetzt werden könnte. Sie erfüllte in der Idee des Schöpfers unseres Stadtparks einen doppelten Zweck: Sie sollte die Anlagen vor dem West- und Südwestwind schützen, der die meiste Zeit des Jahres hier weht, nicht selten stürmt, und sie sollte den Park deutlich gegen die Häuser abschließen, die längs seines Westrandes entstehen würden. Wie es aussähe, wenn überall die Parkanlagen flach in die Hintergärten der Häuser an der Joseph- und Adamesstraße verliefen, davon kann man sich ein Bild an der Stelle machen, wo hinter der Klinik der Elisabetherinnen die alten Fichten durch allerhand niedriges Gebüsch anscheinend dauernd ersetzt sind. Der Philosophenweg ist nur der ernsten, schönen Fichten wegen so beliebt geworden und noch heute gibt es kein stimmungsvolleres Bild, als wenn die untergehende Sonne golden durch die hohen Stämme scheint.

Es muß immer wieder darauf hingewiesen werden, daß unser Park nicht durch einen Gärtner oder Botaniker, sondern durch einen richtigen Gartenbauarchitekten angelegt wurde. Er hieß André und war aus Paris, was die Jüngeren wohl vergessen haben, wenn sie es je wußten. Er hat das gegebene Terrain wundervoll ausgenützt und hat so das Muster eines sogenannten englischen Gartens geschaffen, des Kunstgartens, der sich am engsten an die Natur anlehnt und sie da zum Muster nimmt, wo sie am großzügigsten ist. Der englische Garten ist auf Grund der weiten Ausdehnungsmöglichkeiten entstanden, die der Grundbesitz der begüterten Engländer bot, in der Abwechslung von Wald und Wiese, im allmählichen Übergang vom Schloßpark in die Weite von Forst und Acker. Dieser Charakter ist in unserm Park geschickt getroffen, er bietet Aus- und Durchblicke, die tatsächlich befreiend wirken. Darum war und ist jede Velleität verfehlt, diesen großzügigen Charakter beeinträchtigen, überall noch etwas hinkleben zu wollen,

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KatalognummerBW-AK-011-2374