Auf dem (Friedhof) einer großen rheinischen Stadt steht ein schlichtes kleines Grabmal: Eine Platte aus Schiefer an einem Grashügel.
Sie trägt zwei Namen; offenbar deckt derselbe Rasen Vater und Sohn. Der Sohn ist 1917 als Dreißigjähriger im Krieg gefallen, der Vater starb ihm zwei Jahre später nach.
Unter den beiden Namen steht der lateinische Spruch:
Inveni portum. Spes et fortuna, valeteSat me lusistis, nune ludite alios.Ich habe den Hafen gefunden. Hoffnung und Glück, lebt wohl! Ihr habt mich lange genug zum besten gehabt, sucht Euch nun andere, sie zu hänseln!
Es wäre schwer, in zwei Zeilen eine größere Verbitterung hineinzulegen.
Wie leicht, sich zu dieser Grabschrift einen Lebensroman von Hoffnung, Enttäuschung und Verzweiflung hinzuzudichten! Sich den Sohn als prächtigen Menschen vorzustellen, als Stolz und Glück des Vaters, der sich in ihm als ein Stärkerer, Besserer, Erfolgreicherer fortgesetzt sieht. Dreißig Jahre, die Tore des Lebens weit offen - und dahinter der Abgrund von Blut und Rauch, in dem alles versinkt. Die stumpfsinnige Bestie Krieg hat wieder einen zerstampft, nur einen von Millionen, für den alten Vater den einzigen!
Und das Trostloseste: Das ist kein Einzelschicksal, das einen alten Mann mit Bitternis erfüllt und ihm jene herben Worte als Abschied vom Leben auf die Lippen legt. Das ist das Schicksal einer guten Hälfte der europäischen Menschheit. Aller derjenigen, die nicht mehr die Sprungkraft besitzen, nach dem gemeinsamen Sturz ins Unglück wieder emporzuschnellen, die ungetröstet, hoffnungslos und verbittert, wie ein alter schlaffer Ball an der Erde weiterrollen, in den Graben, unter die Füße der Nachdrängenden, unter die Räder, in den Staub......
Und Hoffnung und Glück suchen sich andere, Jüngere, sie an der Nase herumzuführen. Und menschlicher Unverstand hilft ihnen fleißig dabei.