Original

4. Mai 1923

Die meisten, eigentlich alle Bücher sind erst interessant zu lesen, wenn sie geschrieben sind.

Ich kann Ihnen heute eines nennen, das schon interessant ist, bevor es geschrieben ist.

Es heißt: Monographie Agricole Belgo-Luxembourgeoise.

Es ist interessant zunächst durch seinen Verfasser. Dieser heißt L. Méganck und ist Generalsekretär der Ligue des amitiés belgo-luxembourgeoises.

Er vereinigt in seiner Person die beiden Nationalitäten. Er ist Belgier durch seinen Vater, Luxemburger und sogar Diekircher (näher am Herzen des Landes) durch seine Mutter. Er lebt einen Teil des Jahres in Brüssel, den andern Teil des Jahres in Diekirch. Er bedauert, daß er nicht die Gabe der Allgegenwart besitzt, um so das ganze Jahr in Brüssel und zugleich das ganze Jahr in Diekirch leben zu können.

Er liebt seine beiden Vaterländer von ganzem Herzen. Jedes von ganzem Herzen. Also nicht so, daß er mit 50 Prozent seines Herzens Belgien und mit den andern 50 Prozent Luxemburg liebte. Die Teilung der Liebe zwischen zwei Vaterländern halbiert nicht, sondern verdoppelt die Liebe. Er braucht sich also nicht die Frage zu stellen, ob er sein Vaterland mehr oder mehr sein Mutterland liebt.

Dieser belgische Luxemburger oder luxemburgische Belgier hat es also unternommen, ein Buch über die Landwirtschaft hüben und drüben herauszugeben. Es soll ein Standard-Work werden, ein Werk, das nicht für den Tag, nicht für ein Jahr geschrieben ist, sondern das seinen dauernden Platz in den Häusern aller Landwirte zwischen Schengen und Bögen, zwischen La Panne und Athus beanspruchen darf.

Die Belgier und wir können uns gegenseitig in punkto Landwirtschaft Manches lehren. Wir haben ihnen vor reichlich 35 Jahren unsern Enzweiler geliehen, um sie in Wiesen-Be- und Entwässerung, Feldbereinigung und manchem Andern zu belehren, wir könnten ihnen auch heute noch mit unserm Eugen von Vichten unter die Arme greifen, um ihnen zu zeigen, wie der Bauer weltwirtschaftlich denken lernen soll.

Was sie umgekehrt uns lehren können, wird uns das Buch von L. Méganck zeigen.

Die zwei ersten Kapitel werden parallel für die Landwirtschaft beider Länder folgende Punkte behandeln: Allgemeine Übersicht. Die Zentralverwaltung. Die Hilfsorganismen. Die Ackerbauschulen. Die landwirtschaftlichen Genossenschaften. Das Aussehen der verschiedenen Gegenden. Der Pachthof. Die Kulturen. Die Viehzucht. Die landwirtschaftlichen Industrien. Forst- und Obstbau. Einige Statistiken.

Kapitel 3 behandelt: Landwirtschaft und Industrie in Belgien und Luxemburg.

Kapitel 4 verbreitet sich u. a. über die landwirtschaftlich-sozialen Werke der Eisenhüttengesellschaften, die Gartenwohnungen der Arbed und schließt mit dem hochinteressanten Gegenstand: Zurück zur Scholle! mit Bezug auf die Arbeiterbevölkerung.

Zwei Abschnitte sind der Ausstellung und dem Kongreß gewidmet, die im September 1922 die landwirtschaftlichen Kreise beider Länder in Diekirch miteinander erstmalig in Fühlung gebracht hatten.

Mit Genugtuung ist davon Notiz zu nehmen, daß das Buch auch ein Kapitel über die Solidarität zwischen der belgischen und luxemburgischen Landwirtschaft enthalten wird. Denn auf dem Weg der Solidarität, nicht der mörderischen Konkurrenz, ist auch hier das Heil zu suchen.

Für uns wird dann der Schlußabschnitt über die Landwirtschaft im belgischen Kongo von umso höherem Interesse sein, als durch Verfügung der belgischen Regierung den Luxemburgern der Weg nach der zukunstsreichen Kolonialschöpfung Leopold II. ebenso offen steht, wie den Belgiern.

Es ist nach dem Gesagten zweifellos, daß man mit der Empfehlung dieses Werkes in den Kreisen unserer Landwirtschaft dieser einen wirklichen Dienst leistet. Unsern Bauern tut vor allen Dingen not, daß sie die belgische Landwirtschaft in ihren Existenzbedingungen, ihren Methoden, ihren Ergebnissen usw. so genau und so bald wie möglich kennen lernen. Das Werk des Herrn L. Méganck wird für sie den besten Führer abgeben.

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KatalognummerBW-AK-011-2388