Original

29. Mai 1923

Seit Wochen ist das Freiheitsdenkmal so oft und umgehend besprochen und kritisiert worden, ehe es noch jemand gesehen hatte, daß es jetzt, wo es enthüllt wird, keinen Zweck mehr hat, weiter darüber zu reden.

Doch ist zu hoffen, daß es sich allmählich dem Schönheitsbewußtsein des Volkes einprägen wird, so daß beim nächstes Mal schon merklich weniger Blödsinn ververzapft zu werden braucht, wenn die Spießer etwas ercken, was aus dem Styl der Gipsfigurenhändlerware herausfällt.

Jedenfalls, wenn von diesem Denkmal nur der Kopf des sitzenden Kriegers da wäre, für unsere Art Zeugnis abzulegen, so könnten wir uns ruhig sehen lassen. Offenheit, Güte, Aufgelegtheit - und doch, man sieht es dem Gesicht an, daß dieser gute Junge, wenn Not an Mann geht, die Kinnbacken aufeinander beißt, daß seine Augen blitzen und seine Nüstern zittern, und daß die wohlwollende Hand sich zur Faust ballt, und daß kein Gras wächst, wo er hintritt. Ein er Kerl, „ower maach kee mech rosen!“

Der Geschichte und Vorgeschichte dieses Denkmals re vieles nachzutragen: Ich habe Briefe bekommen von dem Toten und von dem Lebenden, von der „Gölle “, von Herrn Grimberger und von den Mitgliedern des Denkmalausschusses. Ich behalte mir vor, sie zu veröffentlichen, wenn sich die Gemüter beruhigt haben werden.

Es ist etwas Schönes um die Demokratie. Aber aus dem Anlaß hat sie wirklich nicht viel Schönes zu gefördert. In dem ungeläuterten Empfinden von der Notwendigkeit der allgemeinen Gleichheit haben es Viele als eine Beleidigung gegen sich empfunden, um nun auf einmal die Leute, die sich für das Gegen des Werkes eingesetzt hatten, daran mehr Verdienst haben sollten, als der erste Beste. Und doch hat die Zeit so kraß, wie unsere, den Grundsatz verkündet: Kein Arbeit ohne Lohn!

Wenn ein Arbeiter am Zahltag seinen Lohn vergt und der Kassierer sagte ihm: Schäme dich, mehr zu wollen, als die andern, die draußen vorbeigehen und kein Geld von mir verlangen! - so würde ein jener mit Recht antworten: die haben auch nicht gearbeitet.

Diejenigen, die hier im Spiel sind, haben nicht für Geld gearbeitet, heißt es, sondern für die Ehre.

Allerdings, für eine gute Sache, und für die Ehre, die es ist, einer guten Sache zu dienen. Damit ist jeder doppelhändig einverstanden. Aber wenn dann von dem äußern Zeichen des verdienten Ehrenlohnes die Rede geht, rufen die Demokraten: Hä, sie haben es nur um einen Orden getan!

Und wenn! Da ja der Orden die Bestätigung der uneigennützigen Aufopferung für eine gute Sache ist! Es haben so viele die linke Brusthälfte voller Bänder und Kreuze hängen, ohne je etwas dafür geleistet zu haben, manchmal haben sie noch Geld dabei verdient. Also warum über Männer herfallen, die Jahre lang sich für ein schönes Werk eingesetzt haben, wenn sie jetzt eine Anerkennung dafür erwarten?

Demokratie und Gleichheit sind, wie gesagt, schöne Einrichtungen, wenn es gilt, sich an einen gedeckten Tisch setzen. Aber vorher muß der Tisch gedeckt und muß für Beschickung mit allem Nötigen gesorgt werden. Da wird von der Allgemeinheit die Gleichheit schon weniger geschätzt.

Es ist aber immer so gewesen und wird immer so bleiben, daß die eine Gleichheit ohne die andere in der Welt nicht durchzuführen ist.

Wenn Ihr also alle was für’s Knopfloch haben wollt, so leistet auch dieselbe Arbeit.

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  • monument unveiled: Gëlle Gra
KatalognummerBW-AK-011-2406