Im „Luxemburger Wort“ verarbeitet jemand seine Gedanken über das Freibeitsdenkmal „nach dem Fest“ zu einer jener Schüsseln, die im Küchenjargon „gedrängte Wochenübersicht“, im Volksmund aber Bouletten heißen.
Er hat in dieser Angelegenheit, sagt er, allerhand Haßpolitiker gesehen, die Zwietracht und Spaltung ins Volk säen wollten, um Parteivorteile zu erzielen. Er hält es mit der Parteibraddelei wie der hl. Mattheis mit dem Eis: Findt er keins, so macht er eins.
Er vertritt sodann energisch die Ansicht, daß es jetzt hohe Zeit sei, mit dem Denkmalsrummel und den Legionären Schluß zu machen. Er hat ganz recht. Das Denkmal steht da, die Einweihung ist vorüber, kein vernünftiger Mensch sieht ein, weshalb der Rummel weitergehen soll. Die Laienwelt hat überhaupt kein Recht, Feste zu feiern, dafür ist die Kirche da, sie hat das ganze Jahr von vorn bis hinten mit ihren Festen besteckt, dazwischen ist kein Platz für weltlichen Firlefanz.
Der Mann im „Luxemburger Wort“ findet das Denkmal, von einigen wenigen Konzessionen abgesehen, verabscheuungswürdig und er hat die Genugtuung, daß sein Urteil „von der überwältigenden Mehrheit seiner Mitbürger“ geteilt wird. Er hat über die Frage vermutlich insgeheim ein Referendum veranstaltet, sonst könnte er nicht so zuversichtlich von der überwältigenden Mehrheit reden. Ein Kaplan und zwei Pfarrersköchinnen bilden noch keine überwältigende Mehrheit.
Ich erlaube mir, das Denkmal schön, sogar sehr schön zu finden. Ich weiß nicht, ob ich die überwältigende Mehrheit meiner Mitbürger hinter mir habe, aber ich habe vor mir die drei Mitglieder der Preisjury, den Pariser Bildhauer Auguste Maillard, den Brüsseler Bildhauer Charles Samuel und den schweizer Architekten Hans Bernoulli. Wenn es sich um eine Schüssel Kochkäse handelte, wäre das Urteil der überwältigenden Mehrheit des „Wort“-Mannes für mich ausschlaggebender, als das Urteil von zwei Bildhauern und einem Architekten, die vielleicht nie Kochkäse gesehen, jedenfalls aber nie welchen gekocht haben.
Da es sich aber um ein Kunstwerk handelt, bei dem Bildhauerei und Architektur zusammenwirken, so empfinde ich mehr Genugtuung darüber, mit den zuständigen Preisrichtern, als mit der überwältigenden Mehrheit einverstanden zu sein.
Kunstwerke, die in die Öffentlichkeit wirken sollen, müssen allerdings dem Geschmack der überwältigenden Mehrheit Rechnung tragen. Aber dieser Geschmack ist sehr verschieden. Er ist bei den Südsee-Insulanern ein anderer, als in Schlindermanderscheid, in Brüssel und in Paris. Zwischen der Geschmacksrichtung von Paris und der von Polynesien schwanke ich keinen Augenblick. Vielleicht entscheidet sich der Mann im „Wort“ für Schlindermanderscheid.
Es fällt ihm besonders auf die Nerven, daß hier der Ewigkeitscharakter der Denkmalssymbolik gepriesen wurde. Die Zeitlosigkeit gefällt ihm nicht. Wir hätten den Legionären „ein persönliches „Denkmal errichten sollen, ein Denkmal, das ihre „hohe Tat verherrlicht, nicht eines, das verschämt nur „eine zeitlose Idee darstellt.“
Wie denkt sich der Kritiker das? Bekanntlich gilt das Denkmal nicht nur den Luxemburgern, die in der französischen Fremdenlegion gefallen sind, sondern allen Luxemburgern, die in den Heeren der Entente gekämpft haben. Dazu gehören namentlich auch die belgischen und die ziemlich zahlreichen amerikanischen Freiwilligen. Sollte demnach eine Art von synthetischem Poilü auf einen Sockel gestellt werden, ein Mann mit amerikanischen Stiebeln, belgischem Wassenrock und französischem Helm? Die Preisjury fand mit richtigem Taktgefühl heraus, daß es sich hier um ein Denkmal ganz eigener Art handelte, um die Verkörperung einer Idee mit übernationaler Bedeutung, um die Verherrlichung von Mut und Treue, die für den Wert einer Rasse zeugen. «Vivite Luxburgi, fidos vos prisca per orbem fama vocat,» diesen alten Spruch hätte man auf das Denkmal schreiben können. Die Worte des General Gillain besagen ungefähr dasselbe. Hat zum Beispiel die Kirche nicht auch ihre ganze Liturgie soviel wie möglich ins Zeitlose gerückt, indem sie dabei an einer toten Sprache festhält, die das Volk noch viel weniger versteht, als die Bedeutung des Freiheitsdenkmals?
Aber, sagt der Epilogist des „Luxemburger Wort“, durch die Zeitlosigkeit sollte erreicht werden, daß möglichst weitgehende Konzessionen an den Kultus des Nackten gemacht werden.
Wenn Sie beim Freiheitsdenkmal um die Ecke gehen, stoßen Sie auf eine Paramentenhandlung, in der Sie nebeneinander eine Pietà, ein Kruzifix und einen hl. Sebastian sehen können. Drei Männerkörper, die so nackt sind, wie der Tote und der Lebende auf dem Denkmal. Und sie sind nackt ohne den Vorwand der Zeitlosigkeit. Niemand nimmt daran Anstoß. Also gönne man uns auch die nackten Helden auf dem Nationaldenkmal.
Wir standen davor und betrachteten es mit kritischen Blicken. Der Dritte war ein kräftiger junger Herr Pfarrer vom Land. Und er sagte: „Na, es ist jedenfalls gut, daß der liebe Herrgott die Menschen schöner gemacht hat, als die da!“
Do konnst de nix mochen! sagt der Wiener.