Original

12. Juni 1923

Das Einfahrtsignal stand auf Halt! und der blockierte Zug hielt auf dem Viadukt am Clausener Berg.

Ein Herr sagte: Da wären wir: Haltestelle Clausen. Ein paar Damen fuhren herum, machten Miene, ihre Siebensachen zusammen zu raffen und sich hinauszustürzen. Und sie ärgerten sich sogar ein wenig, weil die Verwaltung nicht bekannt gemacht hatte, daß die Clausener Haltestelle zur Tatsache geworden sei. Und eine sagte, das freue sie für Herrn Joseph Walens, daß er endlich recht bekommen hätte, nachdem er so lange für die Clausener Haltestelle eingetreten war.

Als dann jener Herr erklärte, er habe einen Scherz gemacht und die Clausener Haltestelle bestehe immer noch nicht, da ärgerten sich die Damen erst recht und fragten, warum denn nicht?

Ei, sagte der Herr, weil die Verwaltung immer behauptet hat, hier sei starkes Gefälle und da mache das Halten zuviel technische Schwierigkeiten.

Da aber wieherten alle Hohn! Als ob von zehn Zügen nicht acht ausgerechnet an dieser Stelle hielten, die technischer Schwierigkeiten halber zum Halten sich nicht eignete! Und wie oft man im Krieg hier auf der Brücke still gelegen habe, während oben die Flieger kreisten und in der Umgegend die Bombenschläge dumpf erdröhnten. Ja ja, wenn so eine Sorte was im Kopf habe, habe sie es nicht im - Nacken. Man weiß ja, wie das zugeht. Irgend ein hochmögender Herr hat sich auf eine Ablehnung festgelegt und sie scharfsinnig begründet, dann ist nichts mehr zu machen. Der Mann kann sich doch nicht blamieren, sich nicht selbst amtlich unrecht geben. Die Clausener Haltestelle ist technisch unmöglich, hat er gesagt, also darf sie nicht gebaut werden, wenigstens nicht, solange er lebt.

Aber vielleicht ist der Herr heute tot oder waltet seines Amtes in Treuenbriezen. Da wäre es also gar nicht mehr so utopistisch, an die Verwirklichung der uralten Forderung der Binnenstädter zu denken. Die Clausener Haltestelle war in den Hintergrund gerückt, weil nach der Erbauung der Elektrischen die Entfernung vom Hauptbahnhof nach dem Herzen der Stadt nicht mehr in die Wagschale fiel. Wenn nun aber der Neudorfer Tram rollt, so wird der Vergleich zwischen der Strecke Viadukt-Clausen einerseits und dem Hauptbahnhof andererseits nach der Binnenstadt wieder aktual. Man könnte, wenn die Clausener Haltestelle bestünde und man beim Aussteigen dort Tram-Anschluß nach der Stadt hätte, am Paradeplatz und in der Großstraße sein, bevor man auf dem andern Weg überhaupt auch nur am Bahnhof angelangt wäre. Fazit, annähernd eine halbe Stunde Zeitersparnis. Und dasselbe gilt von dem umgekehrten Weg. Sie könnten vom Grand Café aus einen Zug am Clausener Viadukt noch erreichen, wenn es schon längst keinen Zweck mehr hätte, ihn am Hauptbahnhof erreichen zu wollen.

Sehen Sie, so ersteht ein alter, lang geträumter Traum der Luxemburger Stadtratskandidaten wieder aus der Vergessenheit und hat nicht wenig Aussicht auf Verwirklichung.

Warum nicht?

Sie waren dazumal, vor einem Menschenalter, zu dritt: der Piff, der Oktroi und die Clausener Haltestelle.

Zwei sind glücklich erledigt. Warum soll die dritte ewig vergebens der Erfüllung harren?

Also die Clausener Haltestelle wird gebaut und ihre alten Vorkämpfer halten beim Metzen Hary in der Bomesgaaß ein Bankett mit Hasencivet, den Henry Walens stiftet, und mit Wormeldinger 1921er, der in Bredimus gewachsen, aber darum nicht weniger süffig ist.

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