Original

13. Juni 1923

Wenn Sie demnächst, zur Zeit der PasteurAusstellung, nach Straßburg kommen, so suchen Sie auch die Luxemburger Abteilung auf. Denn wir beteiligen uns an jener Ausstellung und ganz gewiß werden wir mit Ehren bestehen. Ich weiß nicht, ob und in welchem Umfang Herr Dr. Praum, der Pasteur-Schüler, und das von ihm geleitete Bakteriologische Institut, in dem die Pasteur’schen Methoden praktiziert werden, auf der Straßburger Ausstellung in die Erscheinung treten. Jedenfalls wird unser soziales Versicherungswesen, von dem der Weg zu Pasteur eigentlich ein Umweg ist, in Straßburg vertreten sein, u. a. mit einer originellen Arbeit, auf die hier hingewiesen werden soll.

Herr Victor Weydert, Bürochef der Sozialversicherungsanstalten, die er in Straßburg während der Pasteurfeier vertritt, hat im Auftrag des Präsidenten Herrn Leo Kauffman eine Statistik über das Wirken der verschiedenen Versicherungszweige aufgestellt.

Sie wissen, welche propagandistische Wirkung die nach gewöhnlicher Schablone aufgestellten Statistiken zu haben pflegen. Die Männer, die damit betraut sind, verbringen schlaflose Nächte und arbeitsreiche Tage damit, die Ziffern gegen-, mit- und durcheinander aufmarschieren zu lassen, sie hinum und herum zu gruppieren, wie Turner bei Freiübungen, um jedesmal ein anderes Bild oder dasselbe Bild in anderer Parallaxe herauszubekommen. Die mit Ziffern bedeckten Seiten gehen in die Druckerei, besonders geschulte Setzer bringen Tage und Wochen damit zu, die Tabellen künstlerisch Ziffer an Ziffer aufzureihen, und nach sorgfältiger Korrektur wird das Werk gedruckt und an alle Interessenten verschickt.

Die Interessenten sind eine eigene Sorte, zumal, wenn es sich um Statistik handelt. Die einen ziehen aus dem Werk ein paar Zahlengruppen heraus, die sie zu einem Artikel für eine gut honorierende Zeitung verarbeiten, andere streichen sich diese und jene Ziffer an, um damit gelegentlich in einer Kammerrede zu wirken und den Eindruck zu erwecken, daß sie die Frage gründlich kennen. Bei andern Interessenten aber, und das dürften leider die meisten sein, findet sich das statistische Broschürenwerk nach einer gewissen Zeit an einem stillen Orte wieder, wo man damit eine besondere Art von Rollenpapier spart.

Eine Statistik, die eindringlich wirken, die sich der Massen aufdrängen soll, die muß den Weg ins Gehirn durch die Augen auf Anhieb erzwingen.

Das tut die statistische Broschüre von Vic Weydert.

Nicht etwa, daß sie weniger positive Arbeit enthielte, als eine gewöhnliche Ziffernstatistik. Dieselben Berechnungen, Gruppierungen, Umstellungen des Zahlenmaterials liegen ihr zugrunde, wie den anderen Statistiken. Nur daß statt der Tabellen und Kolonnen, die man erst gewaltsam zum Reden bringen muß, hier die Ergebnisse in Kreisen und Farben dargestellt sind, die auf einen einzigen Blick hin verkünden, was zu verkünden ist: die Zahlen, die Mengen und ihr Verhältnis zueinander, räumlich und zeitlich.

Du glaubst erst, eine der Scheiben zu sehen, an denen die Farben des Regenbogens aufgemalt sind und die bei raschem Drehen weiß erscheinen, weil sich alle Farben vermischen. Ein Blick auf die Legende belehrt dich, daß es sich um kein Spielzeug handelt. Diese farbigen Kreise geben deutlich Kunde von dem Wirken der großartigen sozialen Schöpfung, die unser Ländchen trotz bescheidener Verhältnisse ins Leben zu rufen wußte und mit der wir einzelnen unsere großen Nachbarn um Jahrzehnte voraus sind. diese blauen, braunen, gelben, roten und schwarzen Sektoren bedeuten jeder für sich die Linderung von so und so viel Elend, den Sieg über so und so viel Unverstand, eine Etappe auf dem Weg zu einer Welt die mehr Gerechtigkeit und mehr Glück enthalten wird.

Die Welt wird besser im Verhältnis zu dem Verständnis der Menschheit für die Erfolge aufrichtigen Besserwollens.

Ein Scherflein zu diesem Verständnis trägt die Arbeit Victor Weyderts bei.

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  • lux at international exhibition
KatalognummerBW-AK-011-2419