Herr Paul Fox zeigt in einem Schreiben an die Mitglieder der Abgeordnetenkammer, das gestern hier abgedruckt war, an einigen Fällen eindringlich auf, wie schreiend ungerecht es wäre, die Luxemburger, die im Krieg gezwungen oder freiwillig im Ausland lebten, von der Valorisation auszuschließen, die nachträglich auf Kosten der Schuldner, d. i. der Banken, verfügt werden soll.
Es war in der letzten Kammersitzung so weit, daß sich eine Mehrheit für das Projekt kaum gefunden hätte. Herr Präsident Altwies verfiel auf den Ausweg, daß man die Verhandlungen aufschieben sollte, bis das Büro eine neue Sitzung einberiefe. Sonst wäre die Vorlage wahrscheinlich längst begraben.
Den Todesstoß hatte Herr Joseph Thorn nach ihr geführt, als er mit Entdeckermiene darauf hinwies, daß durch den Steuernachlaß an die Banken schließlich der luxemburger Staat die Kosten dieser nachträglichen Valorisation bezahlen würde. Ein Aufatmen, ein befreiendes „Sehr gut!“ ging durch die Reihen. Nun wußte man, warum man die Vorlage ablehnen mußte: Die derzeitige Finanzlage erlaubt uns keine Millionenopfer im Interesse Einzelner, auch wenn die Opfer nur in Steuerverlusten bestehen.
Es ist gut, daß Herr Altwies der Kammer in dieser Frage einige Bedenkzeit erwirkt hat. Denn wäre es nach den ablehnenden Vorschlägen des Berichterstatters Herrn Steichen gegangen, so hätte die Landesvertretung eine der größten Ungerechtigkeiten sanktioniert, die unsere Geschichte zu verzeichnen gehabt hätte.
Die Ungerechtigkeit wäre nicht kleiner geworden dadurch, daß sie nur „Einzelne“ getroffen hätte. Der ethische Wert einer Handlung wird nicht nach dem großen Einmaleins bemessen.
Es genügt, daß man sich über den ganz eigenartigen Charakter unserer Valorisation klar wird, um auch die Lösung, die sich aufdrängt, klar zu erblicken.
In Elsaß-Lothringen mußte Frankreich die Mark valorisieren, weil sonst aus der Rückkehr der verlorenen Provinzen zum alten Stammland eine Hauptkonsequenz nicht gezogen worden wäre.
Belgien mußte auf seinem Gebiet die Mark valorisieren, weil sie vom Feind während der Besetzung des Landes durch Zwangsumlauf als einziges Zahlungsmittel der Bevölkerung aufgedrängt worden war.
Bei uns lag der Fall ganz anders. Der Zwangsumlauf des deutschen Geldes in unserm Land war letzten Endes nicht die Folge eines Druckes von außen. Er ergab sich als sozusagen mechanisch-finanzielle Notwendigkeit aus der Tatsache, daß der luxemburgische Staat es von jeher unterlassen hatte, dem Begriff des luxemburger Frankens einen greifbaren Ausdruck in Form von Silber-, Gold- oder Papiergeld zu geben. Kein Luxemburger hatte die materielle Möglichkeit, einen irgendwie nennenswerten Betrag in luxemburger Franken anzusammeln. Jeder war also gezwungen, sein Geld in Mark anzulegen, die im Krieg nur noch als Papier vorhanden waren. Die Schuld daran trug ausschließlich der luxemburger Staat, der eines seiner wertvollsten Hoheitsrechte hatte verkümmern lassen.
Und die Konsequenz daraus zog er bei der ersten Valorisation, indem er das immer Versäumte nachholte, den luxemburger Papierfranken schuf und ihn seinen Bürgern und den im Land ansässigen Fremden gegen die stark entwerteten Markscheine in Tausch gab.
Sonderbarer- und unbegreiflicherweise schloß er die damals im Ausland wohnenden Luxemburger von der Valorisation aus.
Als diese sich dann an die Banken wandten, bei denen sie ihre Gelder hinterlegt hatten, sagten die Banken:
Der Staat hat uns ein Moratorium gewährt, wir brauchen Ihnen auf Ihre Hunderttausende nicht mehr als tausend Francs auszubezahlen.
Also wieder der Staat, der in der übrigens durch aus berechtigten Absicht, verheerende Bankkrache zu verhüten, die Guthaben der Ausland-Luxemburger mit den andern - gesperrt hatte, zu einer Zeit, wo sie wenigstens noch einen Teil ihres Wertes behalten hatten.
Die Fälle, die Herr Fox anführt, sind drastische. Der Vorwand, daß diese Ausland-Luxemburger keine Steuern bezahlt hätten, ist eben nur ein Vorwand. Und das Argument, sie hätten sich nicht mehr unter den Schutz der luxemburger, sondern der fremden Gesetze gestellt, ist betrübend. Welchen Schutz hat denn ein Luxemburger im Ausland zu erwarten? Wir haben es im Krieg leider erleben müssen, wie sch los unsere Landesangehörigen draußen waren. Sollen wir ihnen jetzt auch noch als Beutelschneider gegen-@ über treten und sie um ihr Vermögen bringen helfen. Um ein Vermögen, das sie draußen verdient und als Zuwachs zu unserm Nationalreichtum ins Land gebracht haben! Denn in allen oder fast allen Fällen handelt es sich um Werte, die dauernd im Land bleiben und für die hier die Steuern entrichtet werden sollen.
Also gehen die Steuern uns nicht verloren. Wenn sie die Banken nicht bezahlen, bezahlen sie die Gläubiger der Banken, die ihr Geld zurückbekommen und die im andern Fall null komma null bezahlt hätten. Sieht man denn nicht ein, daß eine Verweigerung des Steuernachlasses für die Banken eine Doppelbesteuerung in ihrer krassesten Form bedeuten würde?
Sehen Sie, die Sache ist sehr einfach. Weil jede gerechte Sache immer sehr einfach ist. Man braucht nur eins: Gerecht sein wollen, auch wenn es vielleicht etwas kostet.
Und hier kostet es schließlich viel weniger, als Joseph Thorn die Kammer glauben machen wollte.