In Bad Mondorf haben sie, scheint’s, einen neuen Kurdirektor bekommen. Ich sah ihn am Sonntag Morgen an der Arbeit. Es war einer jener idyllischen Sonntagmorgen, wie man sie nur in Bad Mondorf erlebt. Dazu der erste Sonnenmorgen seit - ach, seit Ewigkeit, war man versucht zu glauben. Man drängte sich an der Quelle, die um ihre Nymphe trauerte, und löste sich in der Benutzung der vier Trinkbecher ab, die dem Publikum zur Verfügung stehen. Einer beobachtete den andern, wie der Geschmack des Heilwassers auf seinen Gesichtsausdruck wirken würde. Man bewunderte im Lesezimmer die neuen Klubsessel, die alten Ölbilder und die grüne, flockige Flanelldecke des Billards, die überall aufhängenden Bekanntmachungen, die das rauschende Vergnügen einer Partie Billard Nicolas priesen, und erging sich auf der Terrasse vor der Pergola. Bis dahin nichts Außergewöhnliches.
Da erschien der neue Kurdirektor.
Er trug eine Soutane, ein schwarzseidenes Käppchen und ein Brevier mit Goldschnitt. Er war ein Mann in den besten Jahren und sprach geläufig französisch. Er hatte einen Mund, der beständig aussah, als wollte er sich zum Pfeifen spitzen. Das lag besonders in der Oberlippe.
Sobald er in die Erscheinung trat, kam Leben in das Bild. Er „multiplizierte“ sich. Er begrüßte alle Kurgäste, und wenn ein Hündchen dabei war, bückte er sich, tat mit dem Tierchen schön und kraute ihm den Rücken. Manchmal wollte Joly es nicht leiden, aber der Herr Kurdirektor nahm es ihm nicht übel. Er würde schon noch seine Sympathie gewinnen.
Er belehrte die Trinkenden, wie sie sich am zweckmäßigsten und erfolgreichsten das Wasser einverleibten. Ich bin sicher, er trieb die Aufopferung so weit, daß er ein oder das andere Glas über den Durst trank - wenn man so sagen darf - nur um eine Dame, die sich nicht recht traute, zum Trinken zu animieren.
Nachdem sich der Betrieb von der Terrasse herunter mehr in die Niederung, in sichere Nähe der Telephon-Rotunde gezogen hatte, verlegte der Herr Direktor ebenfalls dorthin das Hauptfeld seiner Tätigkeit. Er war überall, ließ seine Augen herumschweifen, ob seine Gegenwart nirgends benötigt würde, verschwand grade während des allernötigsten Zeitminimums und fand schon auf dem schmalen Pfad, der in die Sonne zurückführt, Gelegenheit, sich zu betätigen. Ein belgisches Ehepaar versuchte sich am Ringspiel. Der Herr schleuderte den Ring an der Schnur heftig in den Raum und die Dame sah ungeduldig zu, ob sie nicht auch bald drankäme. Der Herr Direktor blieb stehen, sandte einen kritischen Blick hinüber und rief, mit einer richtenden Handbewegung und der Ruhe eines Transatlantiedampserkapitäns: Trop près! Die belgische Dame sagte zu ihrem Mann, er solle sich doch vom Herrn Pfarrer zeigen lassen, wie es gemacht wird. Der Herr Direktor machte dem Paar herablassend einen Wurf vor, der aber auch daneben ging, und begab sich weiter zum Froschspiel, wo er ebenfalls zeigte, wie es gemacht wird. Ganz wie ein berühmter Meister in seiner Malklasse korrigieren von Staffelei zu Staffelei gehen. Dann entfernte er sich elastischen Schrittes über die Brücke, und ich glaube bestimmt, daß er sich einen pfiff, sobald er außer Hörweite war.
Ach, dies Ring- und dies Froschspiel, die beiden Symbole des Mondorfer Betriebes. Sie stehen da seit Eröffnung des Bades vor zirka fünfundsiebzig Jahren und sind noch heute eine Hauptbelustigung für die Kurgäste. Und der neue Kurdirektor auch.