Genova! Die Welt flimmert im Maiensonnenschein, das Meer flimmert, und die weißen Villen flimmern den Berg hinauf - es klingt nach Ferien und Hochzeitsreisen und Sorglosigkeit. Und im Hafen von ferne das wirre Filigran der Masten, die ungezählten Türme und Türmchen, dahinter der goldig-blutige Hintergrund der Vergangenheit, die unabgerissen in die betriebsame Gegenwart verfließt - Genova la Superba!
Seliges Gestammel aus verklärten Erinnerungen heraus, weil neben mir einer erzählt, daß Turner aus Genua am Sonntag in Ettelbrück mit dabei waren. Schöne Leute, prächtige Arbeit - kann aus Genua Unschönes kommen?
Natürlich haben diese genuesischen Turner die Reise vom Ligurischen Meer nach Mitteleuropa nicht gemacht, um in Ettelbrück den Hochstand und die Riesenwelle zu zeigen. Sie wollen unser Ländchen sehen.
Wir müssen heute alles vom Standpunkt des Fremdenverkehrs betrachten, sogar einen Advokatenkongreß Herr Marcel Cahen hatte recht, als er in der letzten Gemeinderatssitzung sagte: Wir sind nicht genug bekannt. Schon früher war öfter die Rede davon, daß unsere Hauptstadt sich für internationale Kongresse vorzüglich eignete. Jetzt ist die Zeit gekommen, in dieser Richtung Propaganda zu machen und der Schweiz den Rang abzulaufen, solange der Schweizer Franc den überlebensgroßen Kurs hat. Da kommen die Kongressisten sicher lieber zu uns, wo sie für einen französischen Franc allernächst 24 Sous bekommen, statt in der Schweiz kaum achte.
Es scheint, daß schon das Nötige in die Wege geleitet ist, um den Turnern von Genua unsere Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Heute früh kommen sie nach Luxemburg, wo sie ihrem Gesandten ihre Aufwartung machen werden. Den Frühschoppen trinken sie mittags auf dem Paradeplatz und nachmittags fahren sie nach Bad Mondorf, wo sie den Kurgästen ein Schauturnen zum besten geben.
Vor zirka fünfzehn Jahren war bei dem großen Turnfest hier auch eine italienische Damenriege, denen Herr Alois Kayser nachher Stadt und Land zeigte. Den tiefsten Eindruck machten ihnen unsere herrlichen Buchenwälder: Nein, wie grün! riefen sie entzückt. Freilich, wenn man aus einer Landschaft kommt, wo im Sommer Kaktus und Agaven und Palmen nebst Oliven und ein paar Lorbeerbäumen und Zypressen das einzige Grün bilden, das zudem noch vom Staub angegraut ist, so kann man sich schon über einen luxemburger Buchenwald freuen. Und je mehr Italiener wissen, wie schön kühl es im Sommer in unsern Wäldern ist, desto mehr werden sich entschließen, zu uns zu kommen und ein paar Wochen wirkliche Sommerfrische hier zu genießen.
Besondern Erfolg verspreche ich mir indes von dem Besuch der Genueser Turner in Bad Mondorf, und zwar aus einem ganz speziellen Grund.
Sie wissen, daß das wirksamste Kampf- und Propagandamittel der italienischen Fascisten das Rizinusöl war. Statt einen Feind zu erschießen, gaben sie ihr Rizinusöl ein und überließen ihn seinem Schicksal. Die Pariser Camelots du Roy haben ja schon versucht die Rizinusöl-Strategie auch in Frankreich einzuführen.
Das muß, dächte ich, mit beträchtlichen Kosten verbunden sein. Rizinusöl entfließt nicht freigebig dem Boden, es muß aus der Pomadenbohne mit erheblichen Kosten gewonnen werden. Meine Idee wäre also, anstelle des Rizinusöls das Mondorfer Wasser treten zu lassen. Es ist viel billiger und, was die Hauptsache ist, viel gesünder, als das Pomadenbohnenöl. Es befördert nicht nur die Verdauung, sondern es verbessert auch den Charakter.
Ich weiß nun nicht, ob sich unter den Genueser Turnern auch Fascisten befinden. Jedenfalls wäre es für das politische Leben Italiens ein Gewinn, wenn bei diesem Anlaß angeregt würde, das Rizinusöl durch Mondorfer Wasser zu ersetzen. Statt die Fascisten zu fluchen, wären ihre Opfer ihnen ewig dankbar.