Das Wehr an der Erpeldinger Mühle gehört unstreitig zu den bedeutsamsten Denkmälern unseres Landes.
Ein Wehr ist seiner Natur nach in der Hauptsache dazu bestimmt, sich quer vor einen Wasserlauf zu legen und einen Teil davon seitwärts abzudrängen, um darin die Fallkraft des Wassers, die sich sonst auf eine größere Länge verzettelt hätte, anzusammeln und die langsam angestaute Kraft in einem plötzlichen Auswirken zu nutzen.
Diesem Zweck wird wohl das Erpeldinger Wehr entsprechen, sonst bestände es nicht. Und es besteht schon lange. Es bestand schon zur Zeit, wo auf der Erpeldinger Mühle noch ein wirklicher Müller wohnte, der wirklich Mehl mahlte und in dessen Küche ab und zu eine Forelle gebacken wurde, die darum «truite meunière» hieß.
Allmählich war das Wehr schadhaft geworden. Aus seinem gepflasterten Abhang waren Steine herausgebröckelt, aus den Ritzen sprangen lustige Quellchen hoch, die aus dem Flußbett sich unterirdisch durchgestohlen hatten, Gras und allerhand Wasserpflanzen übergrünten die Steinlücken - es war sehr malerisch, und es war außerdem sehr praktisch, denn die vielen Unebenheiten und Höcker und Lücken im Wehr erlaubten es den Salmen und Forellen, sich hinaufzuschwingen und sich zum Laichen eine ruhige Stätte irgendwo im Ösling zu suchen. Und wenn vom Hochwasser verlockt die Bewohner der obern Sauer, der Wiltz und Clerf einmal einen Ausflug ins Weite gemacht und sich die Welt um Diekirch und Ettelbrück und Wasserbillig angesehen hatten, so konnten sie nachher ohne größere Schwierigkeiten wieder in ihre engeren Täler heimfinden.
Aus dem Erpeldinger Müller wurde mit der Zeit eine Aktiengesellschaft, der das alte Wehr nicht mehr gut genug war. Sie wußte über den Hauptzweck des Wehres Bescheid, aber auch über den Nebenzweck. Drei Hebenetze, die am Fuß des Wehres stehen, zeugen dafür.
Als die Aktiengesellschaft in die Erscheinung trat, war sie noch nicht so gescheit, wie heute. Damals kam sie bei der Oberbehörde um die Erlaubnis ein, ihr Wehr zu erneuern, und ließ sich auch die Bedingungen mitteilen, unter denen der Umbau gestattet würde. Die Forst- und Wasserbauverwaltung schrieb eine Fischleiter in der Mitte der Wasserrinne vor, mit Stufen, die den Forellen das Hinaufschnellen ermöglicht hätten.
Die Aktiengesellschaft dankte für den gütigen Bescheid und baute eine Fischleiter an die Seite des Flußbettes und mit Stufen so hoch und steil, daß die Forellen Flügel haben müßten, um dort hinaufzukommen. Damit aber die armen Fischlein, die so an der Weiterreise verhindert werden, vor Heimweh nicht nutzlos umkommen, hat die Aktiengesellschaft an den Fuß dieser seltsamen Jakobsleiter ein Hebegarn aufgestellt, das dritte in der Reihe.
Die Forst- und Wasserbauverwaltung ließ es nicht dabei, sondern forderte die Aktiengesellschaft auf, ihr Wehr so umzubauen, wie es von Anbeginn vorgeschrieben war.
Die Aktiengesellschaft sagte: „Oh, pardon, ich habe mich geirrt. Sie haben natürlich recht, ich werde alles wieder gut machen.“
Daraufhin ließ die Aktiengesellschaft selbstverständlich alles beim alten.
Die Forst- und Wasserbauverwaltung ließ eine Zeit, die man auf französisch „moralisch“ nennt, verstreichen und trat dann wiederum die Aktiengesellschaft auf die Hühneraugen.
Die Aktiengesellschaft sagte: „Oh pardon, ich habe mich usw.“ (s. oben.)
Wiederum ließ die Verwaltung eine moralische Zeit verstreichen. Dann trat sie die Aktiengesellschaft wiederum auf die Hühneraugen.
Diesmal sagte die Aktiengesellschaft nicht mehr: Oh pardon, usw., sondern sie sagte: „Meine Herren, Sie können mich gerne haben. Ich habe einen Advokaten gefragt, und der sagte mir, ich hätte für den Umbau meines Wehres Ihre Erlaubnis nicht gebraucht.“
So hat die Aktiengesellschaft ihrer Macht, ihrem Unabhängigkeitssinn und ihrer Klugheit ein Denkmal gesetzt. Und dies Denkmal ist das Erpeldinger Mühlenwehr.
Aere perennius!