Die diesjährige Eröffnung des Luxemburger „Salon“ im Cercle richtet ein Fragezeichen auf: Ist es nicht bald an dem, daß der Luxemburger Kunstverein ein Jubiläum feiert? Oder hat er in seiner Bescheidenheit das bedeutungsvolle Datum ohne Sang und Klang vorübergehen lassen?
Jedenfalls dünkt mich, daß es schon ein niedliches Ende her ist, seit wir den Kunstverein gegründet haben.
Wir? Jawohl. Denn damals halfen Laien ihn gründen und man brauchte weder Pinsel noch Meißel zu führen, um Mitglied zu werden und ein Wort mitzureden, manchmal sogar ein recht lautes. Später fanden die ausübenden Künstler, daß es besser wäre, wenn sie ganz unter sich blieben, um ihre Berufsinteressen wahrzunehmen. Vielleicht hatten sie recht.
Ein erster Versuch zur Gründung eines Luxemburger Kunstvereins kam über die erste Versammlung nicht hinaus. Diese fand im alten Cercle statt, der damals „beim Gre’tchen“ hieß, und es stellte sich heraus, daß guter Wille und jugendliche Begeisterung zu einer Vereinsgründung nicht immer genügen. Zumal die Frage eines praktisch gerichteten alten Herrn, des Staatsarchitekten Karl Arendt: Ob man sich denn auch die Statuten verschiedener ähnlich gerichteter Vereine des Auslandes verschafft habe, wirkte sehr niederschlagend auf die Enthusiasten, die gemeint hatten, es ließen sich die Satzungen im ersten Anlauf aus dem Ärmel schütteln.
Später und schließlich gelang die Geburt trotzdem und der junge Verein erwies sich bald als eine Notwendigkeit. Seine Versammlungsabende gestalteten sich zu anregenden Diskussionen über alles, was mit gestaltender Kunst zusammenhängt, und man war oft nicht weit davon, sich die Köpfe einzuschlagen. Zumal nachdem man vom ersten Stock im Café Italien am Paradeplatz zu Hatto am Fischmarkt (Hintergebäude, herrliche Aussicht ins Gebirge) übergesiedelt war. Da waren schon die Jüngeren hinzugekommen, wie August van Wervecke, die auffallend wenig Respekt für die Kunstanschauungen älterer Herren hatten, zumal wenn diese nicht vom Bau waren. Scharf und schneidend flog die Rede über den Tisch hinüber und herüber, umso schärfer, je dichter der Tabakqualm aus Pfeifen, Zigarren und Zigaretten wurde. Und das Ende vom Lied war, daß die Leute, die sich das Malen und Bildhauen nicht angewöhnt hatten, vor die Tür gesetzt wurden, mit ihren Stühlen. Denn um die Gemütlichkeit zu erhöhen, hatte jeder zu dem Mobiliar einen eigenen Stuhl stiften müssen.
Ein Maler war damals, als der Verein gegründet wurde in den Straßen der Stadt lange keine so geläufige Erscheinung, wie heute.
Die Erinnerung an die Alten, an Fresez, Liez, Sinner war verblaßt, Franz Heldenstein betrieb seine Kunst mit Ausschluß der Öffentlichkeit und war weiteren Kreisen nur als Bühnendekorationsmaler bekannt. Michel Engels war damals eigentlich „der“ Maler, aber sein Charakter als folcher war durch die Vermischung mit dem Charakter als Zeichnenlehrer ins Bürgerliche heruntergestimmt. Seimetz trieb sich in München und Paris herum. Da erstand unter uns Fenny d’Huart, der sich als Gymnasiast schon mit der Copie einer Zeichnung - irgend ein „Christus mit dem Zinsgroschen“ - auffällig gemacht hatte. Wir sahen ihn mit seiner Staffelei vor der Quirinuskapelle sitzen und der Geist Raphaels schien uns überm Petrußtal zu schweben.
Und dann wurde, wie gesagt, aus einem Maler eines schönen Tages ein ganzer Kunstverein, der, je länger er besteht, umso nachhaltiger beweist, daß er auf solider Grundlage errichtet ist und vernünftig geführt wird. Die Leistungen, mit denen er alljährlich vor die Öffentlichkeit tritt, sind für unsere Verhältnisse achtunggebietend, fortwährend sehen wir Neue in die Erscheinung treten und den Nachweis führen, daß unser Ländchen aus der Periode rein materieller Strebungen, die in den Anfängen geboten waren, in die Entwicklungsphasts getreten ist, in der es mit den höher gerichteten Interessen des Auslands erfolgreich Fühlung sucht und behält.
Es gab eine Zeit, vor dem Krieg, wo der Kunstverein den Traum von einem eigenen Heim mit Dauerausstellungsraum träumen durfte, zu dem er sich die Mittel zusammensparen könnte.
Diese Felle sind ihm leider fortgeschwommen. Es müßte denn sein, daß ein Mäcen ihn für eine halbe Million in sein Testament setzte.
Und warum nicht?
Mäcene heraus!