„Jetzt gang i ans Brünnele, trink aber net.“
Es war nicht unglückliche Liebe. sondern Galgenhummor, der mir das Lied eingab.
Das Brünnele heißt hier Birele und fließt im relergrund. Fließt aber leider nicht so ausgiebig, daß es bei uns noch in die Wasserleitungsrohre steigen könnte. Eben ist ein Mann vorbeigekommen und hat die Leitung zugedreht und sich sittlich entrüstet über die Wasservergeudung, die bisher in den Straßen getrieben wurde - sie ließen es stundenlang dick in die Gossen laufen! - und dann ist er weitergegangen und hat gesagt, er müsse auch noch die andern Leute zufrieden stellen. Aber davon, daß wir jetzt und wie lange wir kein Wasser mehr hätten, hat er nichts gesagt. Kein Kranen lief mehr, keine Spülung funktionierte. Wir saßen buchstäblich auf dem Trocknen. Hätte das Wasserwerk doch nur bekannt gemacht, daß es von zehn oder elf Uhr ab die Leitung sperrt, so hätte man sich mit ein paar Eimern vorhen können.
Es ist kein Wunder, daß die Quellen streiken und die Brüste der Gade versiegt sind. Seit drei Jahren ist sozusagen kein Schnee gefallen und wie lange ist das her, seit dem letzten wirklich ausgiebigen Schneefall! Und nur durch die langsame Schneeschmelze gelangen große Wassermengen gründlich, daß sich Reserven bilden können, in das Erdreich. Der Regen gleitet zum größten Teil über den Boden in die Bäche und Flüsse, verdunstet in Laub und Halmen. Und so ist die Erde trotz der Regenperiode, die seit fast einem Jahr gedauert hatte, relativ trocken geblieben und an die Städte tritt wieder eindringlich die Sorge um ihre Wasserleitungen heran. Sie geraten zwischen zwei Feuer: die Wassernot und die Staubplage. Bei einem Referendum würde sich sicher herausstellen, daß die Bürgerschaft sich lieber die Staubplage, als die Wassernot gefallen ließe. Aber die Bürgerschaft stellt sich nie vor eine solche Alternative. Die Bürgerschaft ist, trotzdem sie eigentlich aus erwachsenen und vernünftigen Menschen besteht, in diesen Dingen nicht vernünftiger, als der kleine Junge, den sein Onkel fragte, ob er sich lieber Schokolade oder Marzipan wünsche und der darauf zur Antwort gab: Schokolade und Marzipan.
Jedermann geht nämlich davon aus, daß, wenn er auf eine öffentliche Dienstleistung verzichtet, ein anderer davon Vorteil hat. Er sagt sich: Wenn ich heute kein Bad nehme, so bin ich der Dumme, denn mein Nachbar badet und duscht ganz sicher nach Herzenslust. Darum klingt es so ätherisch, wenn eine Gemeindeverwaltung an die Bürgerschaft die Aufforderung richtet, mit dem Wasser sparsam umzugehen. Als ob je einer deshalb einen Tropfen Wasser weniger verbrauchte!
Wenn wir nun aber zwischen Staub und Wassernot wählen sollen, und uns lieber den Staub gefallen lassen, so soll man uns dafür dann aber auch das Wasser nicht heimtückisch abschneiden. Wenn es nicht anders geht und die Wasserabgabe muß stundenlang eingestellt werden, so schicken wir uns darein, aber wir müssen wissen, wann wir für den Tag und die Nacht Vorrat zapfen können.
Die Nymphen und Rixen aber, die früher in den kühlen Quellengründen wohnten, in den Kopstaler Waldtälchen und im Birelergrund, und die wir durch rußige, lärmende, stampfende Dampfmaschinen ersetzt haben, die lachen sich die Fäustchen voll über unser Ungemach und sagen: War es früher nicht viel schöner?
Schon Aber wir können doch nichts für den Gang der Welt. Wir säßen jetzt auch lieber in kühlem Grund an einem sprudelnden Quell, als in einer heißen Stube vor einem Tintenfaß, in dem es so nicht sprudeln will.