Eine Postkarte: „Der 13te, ein Freitag und Reumond - sicher nicht mehr dagewesen seit der Mumm Se’s.“
Ich bin astronomisch nicht genügend vorgebildet, um berechnen zu können, ob seit 1750, d. i. seit den Tagen der durch Dicks berühmt gewordenen Clausener Wäscherin sich diese fatale Dreieinigkeit wiederholt hat oder nicht. Zur Zeit, wo der Geist Gottlieb Hurra’s in Clausen umging, muß das Phänomen ziemlich häufig eingetroffen sein, denn die Mumm Se’ß sagt: „’t kömmt allzeit an der Nuecht, den Daach aß onerschidlech. Gewineklech iewel den dreizengte vum Mont, a Freides, wa jong Liicht aß.“
Mein Korrespondent nimmt es nicht ganz genau, Neumond steht erst für heute, 14. und Samstags im Kalender. Aber es sei ihm trotzdem für die Anregung gedankt.
Ich habe versucht, mich in die Zeit zurückzuversetzen, wo Dicks an seinem dritten Werk arbeitete.
Am 17. August 1855 schrieb er an seine Tante aus Bad Mondorf: «Je passe mon temps très agréablement en rêvant, vaudevillisant et flânant.»
Am 2. Februar 1855 war der „Scholdschein“, am 22. April desselben Jahres „De Koseng“ aufgeführt worden. Am 11. November, sieben Monate nach dem „Koseng“ folgte „D’Mumm Se’ß“. Wenn Dicks im August in Mondorf „vaudevillisierte“, so kann es nur die „Mumm Se’ß“ sein, die damals entstand.
Damals hatte sich in Mondorf ein junger Arzt niedergelassen, Dr. Nikolas Dom. Schmit Sohn einer Gastwirtes aus der Unterstadt Clausen, wo er am 6. Februar 1814 geboren war. Es ist derselbe, nach dessen Angaben und Entwürfen das Badeetablissement gebaut wurde, das von 1847 bis 1919 gedauert hat. Dr. Schmit war in Mondorf bis 1864. Malen wir uns mit etwas Phantaste das Bild aus: Dicks, der im Grand Chef wohnt und von Dr. Schmit behandelt wird. Dr. Schmit, ein Mann und Doktor nach dem Herzen Gottes, wie sein Nachfolger Dr. Martin Klein, sagt zu seinem Patienten: „Mein lieber Freund, Dir - denn sie dutzten sich zweifellos - Dir fehlt gar nichts. Wir wollen mit jenem fidelen Pfarrer von der Saar, den Du ja auch kennst und mit dem ich Dich schon zusammen bei einer Flasche Oberemmeler habe sitzen sehen, das Experiment wiederholen. Praesente medico nihil nocet.“
Und Dicks wird darauf gesagt haben: „Doktor, Du sprichst mir aus der Seele. Dafür erzähle ich Dir die Geschichte einer engeren Landsmännin von Dir aus Clausen, sie hieß Mumm Se’ß und hatte einen Freier, der hieß Gottlieb Hurra. Aber er mußte sich totschießen mit seiner besten Kanone, weil die bösen Mäuler sie „relles“ gemacht hatten.“ Darauf setzte sich Dicks an Klavier und spielte das Lied vom „Kanone’er“, und die Gäste kamen in die Tür und steckten die Köpfe herein und hörten zu. Darunter waren auch zwei Damen aus Diekirch, von denen Dicks im selben Brief an seine Tante in Luxemburg schreibt: «Les curés ont fait place à deux dames de Diekirch, jeunes et jolies - autrofois - aujourd’hui dans un âge inspirant la confiance et causant fort agréablement de tout, surtout de leur descendance féminine qui compte à peine 17 à 18 printemps.»
Das sind 68 Jahre her. Die Franzosen balgten sich den Türken zulieb mit diesen und den Engländern zusammen gegen die Russen, in den Zeitungen las man nur von der Belagerung von Sebastopol, die Königin von England wurde begeistert in Paris gefeiert, in Luxemburg stritt man sich darum, ob der Staat oder eine Gesellschaft die ersten Bahnen bauen sollte, vor der Hauptwache am Paradeplatz standen Kanonen und dahinter stand der Cercle, in dem die Stücke von Dicks gefpielt wurden, im Athenäum bekam ein gewisser Heinrich Kirpach aus Mamer auf Quinta den ersten Akzessit, ein gewisser Charles Simons den fünften und ein gewisser Paul Eyschen auf Sexta den dritten, während ein gewisser Tony Dutreux seine Gymnasiastenlaufbahn auf Prima als Erster mit dem ersten Preis abschloß. Der Weizen kostete 32-33 Franken pro Hektoliter, der Hafer 8.50-9.50, die Butter 16 bis 18 Sous das Pfund. Eine Lehrerin bekam 700 Franken Jahresgehalt und 6 Franken monatliche Wohnungsentschädigung, und bei D. Elsen, rue du Gouvernement, 6, waren „neu und frisch angekommen Holländische Häringe, Laberdan und Sardinnen“. Und im Roten Brunnen traten die preußischen Arrestanten das Wasserrad und auf dem Glacis erschollen preußische Kommandos und bestiebelte Beine flogen im Parademarsch wie geölte Blitze. .....
Es sind erst 68 Jahre her, und die Welt hat sich seither umgewandt, wie ein Handschuh. Aber die Mumm Se’ß ist immer noch jung.