Original

21. Juli 1923

Dansons, chantons!

Lasset uns singen und tanzen!

Tanz und Gesang sind Steigerung von Schritt und Wort unterm Antrieb der höher schlagenden Pulse.

Die Feste sind die populärsten, auf denen am meisten getanzt wird. Keine Kirmes im Land war in der guten alten Zeit so berühmt, wie die Kirmes von Contern, die Diedenhoven besungen hat: No Conter - Gi vill Gesondter - De’ gud gesin - Wann se dur gin - A beim Eremke’ren - Hir A@e verle’ren - Durch d’mächteg Kraaft - Vum Re’wesaaft. Nirgends wurde so ausgiebig getanzt, wie in Contern, und ganzen Geschlechtern zuckte es in den Beinen, wenn sie nur den Namen hörten.

Das französische Nationalfest vom 14. Juli erhält seine volkstümliche Weihe am stärksten durch die Bälle im Freien. Würde am Gedenktag der Erstürmung der Bastille nicht unter den funkelnden Sternen getanzt, so wäre das Fest ein Fest wie hundert andere, an denen Hecht mit Buttersauce an unzähligen Banketttafeln verzehrt wird und patriotische Reden in den Ruf «Vive la Républaique!» ausklingen. So aber ist es ein Tag, der die Herzen der Menschen mit Freude begießt, wie Blumen mit Tau, und an den sich für jeden Franzosen zärtliche Erinnerungen knüpfen. Denn jeder war in dem Alter zwischen fünfzehn und dreißig wenigstens einmal glücklich-unglücklich in seine nächtliche Tänzerin vom 14. Juli verliebt.

Bei uns war Großherzog Adolph selig ein sehr beliebter alter Herr, und das nicht zum wenigsten wegen des Umstandes, daß sein Geburtstag auf den 24. Juli fiel und mit Volksball im Freien gefeiert werden konnte. Die ganze Stadt hat jene rauschenden Abende noch in Erinnerung. Mit den Geburtstagen der Nachfolger war nicht viel anzufangen. Bei Großherzog Wilhelm wäre es zur Not und bei günstigem Wetter noch gegangen, er war an einem 22. April geboren. Auf Großherzogin Marie Adelheid hatten die Tanzlustigen die schönsten Hoffnungen gesetzt, sie wurde am 14. Juni gefeiert, in der schönsten Zeit des Jahres. Warum hat sie sich müssen mit der dummen Politik das Spiel verderben, sich und uns? Ihre Schwester und Nachfolgerin Charlotte feiert Geburtstag am 23. Januar, Prinz Jean ist an einem 5. Januar geboren, seine Tanten habe alle das Licht der Welt zwischen Oktober und März erblickt, keiner dieser Geburtstage eignet sich dazu, in die Kronen der Kastanienbäume am Paradeplatz Girlanden von Glühbirnen zu flechten und darunter bis ins Morgengrauen Fox zu trotten. Eine Zeitlang bestand die Aussicht, daß Prinz Nikolaus auf den Thron kam. sein Geburtstag fiel auf den 20. September und wäre ein willkommenes Ausklingen der Schobermeß gewesen.

Wie Sie sehen, können wir aus dem Gotha keinen Anlaß zu dem mit Recht so beliebten Tanz im Freien herholen. Dies Jahr hätten wir einen willkommenen Vorwand in der Dicksfeier gehabt: „Abends von 9 Uhr ab, Volksball,“ hätte als letzte Programm-Nummer sicher Anklang gefunden. Und keiner hätte sich so, wie Dicks, in den Gefilden der Seligen darüber gefreut, daß sie ihm zu Ehren eine Nacht unterm Sternenschein getanzt hätten. Aber da wegen des Theaterumbaus die Dicks-Aufführungen im Cercle stattfinden müssen, konnte man sie durch Tanzmusik auf dem Paradeplatz nicht stören.

Wie wäre es für nächstes Jahr?

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    Katalognummer BW-AK-011-2452