Seinen verbissensten und erfolgreichsten Kampf führt der Menschengeist seit Jahrzehnten gegen Raum und Zeit.
Raum und Zeit haben gegen den Menschen einen unheimlichen Verbündeten: den Tod. Der Tod fürchtet von dem Sieg des Menschen eine Schmälerung seines Reichs. Denn was der Mensch dem Raum und der Zeit abgewinnt, wächst dem Leben zu und ist dem Tode abgewonnen. Darum ist der Tod voller Heimtücke und legt sich in den Hinterhalt überall, wo der Mensch den Kampf gegen Raum und Zeit kämpft.
Es gibt solche Hinterhalte, deren Namen tragischen Klang hat.
Tossenberg!
Das klang schon unheimlich vor Menschenaltern, als die steile Krümmung in der Ecke am Wald durch Wegelagerer und Mord und Totschlag berüchtigt war.
Dann fürchteten die Radfahrer den Tossenberg wie eine unheimliche und verwunschene Stelle, wie die Schwimmer einen Strudel, der sie in die Tiefe zieht.
In die Rinde des Baumes, den in der Nacht von Sonntag das Todesautomobil streifte, ist ein Kreuz geschnitten: das Arloner Kreuz, zur Erinnerung an einen andern grauenhaften Unfall. Und noch ein drittes Mal hatte der Tod dort auf der Lauer gelegen. Dort ist in unserer Heimat die Schädelstätte der Autofahrer. Die Tiefe zieht an, unheimlich, unwiderstehlich. Der Unselige, der die drei in den Tod gefahren hat, weiß nicht, wie es geschah. Man sieht die doppelte Radspur des schweren Wagens geradewegs den Abhang hinunterweisen, frisch fromm fröhlich geradeaus ins Verderben, als ob zwischen der Telegraphenstange links und dem Alleebaum rechts die schönste Straße ins Land führte.
Was dünkt Euch? Wäre jetzt nicht genug des grausamen Spiels? Wäre es nicht an der Zeit, den grinsenden Laurer aus seinem Schlupfwinkel zu vertreiben? Die Tiefe breitet sich dem Fahrer frei und offen entgegen, ohne andere Hemmung als die paar Bäume, die, man sollte sagen, grade an dieser Abböschung besonders weit auseinanderstehen. Alle waren einig in der Feststellung, es sei ein Skandal, daß da noch nichts gegen Unfälle geschehen sei und daß jetzt unbedingt etwas geschehen müsse. Die Meinungen gingen drüber auseinander, ob man am Abhang her ein Bankett anlegen soll, wie in Frankreich und Belgien, oder ob man den Straßenrand mit weißgestrichenen Basaltsteinen bestecken soll, wie in Preußen. Ich denke, den Autofahrern ist es gleich, ob sie sich auf französisch oder preußisch salvieren, wenn nur etwas getan wird. Die paar tragischen Warnungen allein helfen ja nichts, das Unglück geschieht immer in dem Bruchteil von Sekunde, in dem der Mann am Steuer eine Ablenkung hatte. Im scharfen Aufpassen ge- schieht selten etwas. Der Tod lauert auf die Momente, wo im Aufpassen eine Lücke entsteht sich hineinzuschieben.
Noch eine Nutzanwendung soll auf vielseitige Anregung aus der letzten Katastrophe gezogen werden.
Zwei Tote lagen die ganze Nacht im Acker und Regenhimmel, von einem Gendarmen bewacht, bis am Vormittag das Gericht kam und die Ortsbesichtigung vornahm. Dann durften die Leichen abtransportiert werden.
Gesetz geht vor Pietät, wenn Sie wollen, aber nur, wenn es sein muß. Muß dies sein? Welchen Zweck hat es, die Toten unter freiem Himmel liegen zu lassen, bis das Gericht kommt? Bei einem brechen läßt sich begreifen, daß am Ortbefund nichts geändert wird, damit die Behörden unvermittelt Spuren vorfinden. Aber hier handelte es sich nicht um die Aufspürung eines Mörders. Die Leichen wurden aus dem Wagen heraus ins Freie gebracht, aus Stellung konnte also auch nicht mehr auf den Hergang bei der Katastrophe geschlossen werden.
Mußte aber trotzdem das Gericht die Leichen sehen ehe sie fortgebracht wurden, so fragt sich jeder, warum das Gericht nicht sofort an Ort und Stelle fuhr, es in solchem Fall jeder Arzt ohne weiteres tut .
Man spricht so gern und salbungsvoll von der ung vor dem Tode.
Hier wäre eine Gelegenheit, sie zu bezeugen.