Morgen erscheint die erste Nummer der neuen luxemburgischen Rundschau für Kunst und Wissenschaft, «Les Cahiers Luxembourgeois».
Die früheren Bestrebungen, neben der Tagespresse den intellektuellen Bedürfnissen des Landes entgegenzukommen, gingen unter andern Titeln, aus denen mehr Märzluft wehte und lautere Trompeten schmetterten: Floréal, La voix des Jeunes ... R I. P.!
Die „Luxemburgischen Hefte“ sind bescheidener. Sie reden von schulmäßigem Betrieb, von Methode, Ordnung, Fleiß, ein wenig von Pedanterie. Vielleicht als Reaktion gegen den Sturm und Drang und wer weiß? die sanfte Bummelei, an denen ihre Vorgänger scheiterten. Sie flößen Zutrauen ein. Man weiß auch, daß steufinanziell ordentlich fundiert sind und nicht mehr ein Dasein bloß von Druckers Gnaden zu führen brauchen.
Wir sind also, scheint’s, soweit, daß die Jungen sich nicht mehr gebärden, als ob „verzehrende Flammen von ihnen ausgehen“ und sie „das Antlitz der Erde erneuern“ müßten. Die Jungen von gestern und vorgestern sind übrigens zu einem guten Teil schon ein wenig die Alten von heute geworden.
In den kurzen Sätzen „zur Einführung“ wird der Zweck der neuen Rundschau dahin definiert: „daß die paar Dutzend luxemburgische Menschen, die irgendwie eine geistige Potenz verkörpern, sich die Hand reichen, um gemeinschaftlich ein Stück Wahrheit und ein Stück Schönheit zu realisieren“. Und weiter: „Es ist keine Clique, die vor Euch hintritt, keine Partei. Wir sind durch kein Vorurteil behindert und halten die Hand einem jeden hin, der jenseits von Dogmen und Konventionen an einer kulturellen Erneuerung mitarbeiten möchte. So ist uns auch nichts mehr verhaßt, als literarische Spielerei, trotzdem oder weil wir auf Form halten, nichts unzeitgemäßer, als gelehrter Kram, trotzdem oder weil wir in allen Dingen ernst sein wollen. Wir fühlen uns geeint durch eine Gesinnung, aber wir wissen, daß eine Gefinnung nichts Unwandelbares ist.“ (Den letzten Satz kann ein Politiker, schwerlich ein Parteipolitiker unterschreiben.)
Obgleich an verschiedenen Stellen der ersten Nummer entschuldigend bemerkt wird, daß sie noch nicht den Maßstab des Gewollten darstellt, so kann man sie doch mit Freude und Dank begrüßen, denn jeder einzelne Beitrag hält das Versprechen, das in der französischen und deutschen Einführung dem Sinn nach gleichlautend enthalten ist. Frantz Clement behandelt in einem möglichen Gespräch „Zwischen den Rassen“ das Thema unserer Mischkultur und stellt mit Recht den Unterschied auf zwischen aktiver und passiver, zwischen Schöpfer- und Genießerkultur. Paul Palgen steuert farbige Skizzen aus Brasilien bei, von A. Hoefer sind mehrere Gedichte eingestrent, einer unserer Besten schildert unter dem Pseudonym Pogg und dem Titel „Die Flucht“ ein Jünglingserleben mit seltsamen Realismen und nachzitternden Pubertätswehen. Nik. Ries schreibt von den Frauen, die um Verlaine wa- ren und zu denen zwei Luxemburgerinnen gehörten, und in den Rubriken Glossen, Kritik, Bücher- und Zeitschriftenschau zeichnen u. a. M. Esch und Hubert Element interessante Beiträge. Als Mitarbeiter für die nächsten Nummern werden u. a. Dr. Nik. van Werwecke, Nik. Braunshausen, Dr. Ernst Stümper, Alph. Nickels, Albert Wehrer Dr. Jean Faber Dr. Robert Reuter, Math. Tresch Pol Michels u. a. m. in Aussicht gestellt.
Soviel ich weiß, bildet Nik. Ries mit seiner aus starkem Bauernblut und ruhiger Gründlichkeit gemischten Persönlichkeit einen der Hauptpseiler des Unternehmens. Schon deshalb verdient es Vertrauen.
Unter den Mitarbeitern fehlen bis jetzt einige, die der neuen Rundschau Relief zu geben geeignet wären. Ich denke z. B. an Alex Weicker den die Gärung noch kopfüber umzutreiben scheint, Marcel Noppeney und Norbert Jacques, die zwei Luxemburger, die, von der Fremde aspiriert, dennoch von den Wurzeln aus unseres Wesens sind und in denen der bestimmende Einfluß der Kindheit- und Jugendeindrücke den Nachhall erzeugt, der uns das Recht gibt, sie schriftstellerisch zu den Unsern zu rechnen.