Original

16. Oktober 1923

Ich hatte einen komischen Traum.

Ich war auf einem Kostümball in Begleitung des Hofbuchdruckers Herrn Bück. Er hatte einen Biedermeierfrack an, eine ebenholzschwarze glänzende Stirnlocke und an den Wangen herunter jene österreichisch anmutenden Bartansätze, die man Hasenpfoten nennt. Er war die Coqueluche der Tänzerinnen. Ich stand mit ihm an einem Pfeiler inmitten der Palmen und Lorbeeren, die die Halle vor dem großen Cerclesaal schmückten, und ließ mir von ihm die Ankommenden nennen, die mir samt und sonders unbekannt waren.

„Dies ist die breite fette Groteske,“ sagte er, als eine Art Dampfwalze in schwarzer Seide die Treppe heraufrauschte.

„Hier kommt der alte Herr Cicero, er ist die bedeutendste Persönlichkeit, die wir heute abend zu sehen bekommen. Ohne ihn ist kein Fest möglich. Er steht am Anfang und am Ende und in der Mitte.

Dies hier ist sein Landsmann Naso, die drei Damen dahinter sind Römerinnen, die Großmutter Antiqua, die Mutter Antique Ronde und die Tochter Antique serrée. Hier kommt eine Vertreterin des Mittelalters, die breite fette Mediaeval, und gleichsam als Protest dagegen die schmale fette Renaissance. Stoßen Sie sich nicht an dem scheinbaren Widerspruch zwischen schmal und fett, es ist Fastnacht.

Aha, diese elegante junge Dame ist die beliebte Rediviva, wenn Sie gestatten, ich habe ihr einen Shimmy versprochen.“

Ich konnte es kaum erwarten, bis er wiederkam und die Vorstellung fortsetzte.

„Dort sehen Sie einen unserer beliebtesten Professoren, er hat sich als halbfette Schulfraktur verkleidet, um anzudeuten, daß der Staat seine Leute zu schlecht bezahlt, als daß sie ganz fett werden könnten.

Sehen Sie dort das elegante Dämchen, die Elzevir, und dort die andere, die beim Tanzen sich so eigenartig in den Hüften wiegt, das ist die Zephir Grotesque.

Nun kommt eine internationale Gesellschaft: Herr All Right, eine Holländische Gotisch, eine Della Robbia, eine Fuchsia, eine Pompadour, eine Gruppe Egyptiennes serrées, eine andere, das sind Egyptlennes maigres italiques, alles moderne Landsmänninnen des alten Tut-ankh-amen - dort steigt der wackere Herr Schwabacher die Treppe herauf, hinter ihm eine erlesene Gesellschaft von lauter Kollegen von mir, Herr Moreau Le Jeune, Herr Deberny, Herr Nicolas Cochin, Herr Fournier Le Jeune, Herr Desfontaines ....“

Unter den Tänzern und Tänzerinnen entstand plötzlich eine Bewegung, alles drängte heraus an die Treppe, von unten herauf kam Gemurmel, das immer lauter wurde, ohne seinen respektvollen Unterton zu verlieren.

„Achtung!“ sagte mein Begleiter und zupfte sich die Samtweste zurecht, auf der ein schweres goldnes Berlock baumelte. „Achtung! Herr Gutenberg!“

Wirklich, da stieg er feierlich die Stufen herauf, den pelzverbrämten Mantel bei jedem Tritt lüftend.

„Er ist eigens von Straßburg herübergekommen, um uns die Ehre zu erweisen.“

Und schon brach die ganze Gesellschaft in brausende Hochrufe aus, von denen ich erwachte.

Auf dem Schoß hielt ich einen Prachtband mit dem Titel «Spécimen de caractères de l’Imprimerie de la Cour Victor Buck à Luxembourg».

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