Original

19. Oktober 1923

Inflation kommt von inflare, das heißt aufblasen.

Aus der Fabel vom Ochsen und vom Frosch wissen wir, daß der schließlich platzt, der sich zu stark aufbläst.

Trotzdem nun schon einer so gut wie geplatzt ist, will ihm ein anderer das Experiment nachmachen, allerdings mit Maß und Ziel.

Wenigstens stand in den Zeitungen, England wolle sich eine kleine Inflation zum Hausgebrauch leisten, um künstlich das Vertrauen in seine Goldreserve und sein Pfund Sterling zu erschüttern und seine Valuta zu schwächen und so wieder konkurrenzfähig zu werden. Inzwischen ist die Meldung dementiert worden. Man scheint also den Plan aufgegeben zu haben, wahrscheinlich weil man eingesehen hat, daß niemand England seine gemachte Unsolidität glauben und sie deshalb das gewünschte Ergebnis nicht haben würde.

Der Krieg hat veranlaßt, daß allerlei Gesetze, die in ihren Auswirkungen durchaus bekannt schienen, zu ungeahnten Konsequenzen führten. Es galt als Axiom, daß ein Staat unter den Verhältnissen, in die sich Deutschland heute hineingewirtschaftet hat, unbedingt Bankrott machen müßte. Wenn ein Staat zur Erfüllung seiner geldlichen Verpflichtungen nur noch mehr oder weniger farbig bedrucktes Papier mit beliebiger Wertaufschrift aufbringt, so ist er doch virtuell zahlungsunfähig und müßte die Konsequenzen ziehen, die jeder Privatmann aus einer solchen Lage zu ziehen gezwungen wäre. Deutschland nicht. Sein Kredit ist pfutsch, aber trotzdem beruht drüben der laufende Bargeldverkehr auf dem völlig wertlosen Papier, das der Staat als Zahlungsmittel aufs Pflaster wirft. Ohne Zwangsumlauf, wohlgemerkt. Wer zur Zeit der französischen Revolution die Assignaten nicht zu ihrem vollen Werte annahm, riskierte, daß ihm Marianne den Kopf abschlagen ließ. In Deutschland steht es jedem frei, seine Ware gegen Markwährung oder gegen fremde Devisen zu verkaufen. Und immer noch gibt es Ausländer, die ihr gutes Geld gegen Markmillionen und Markmilliarden umtauschen, sei es auch nur, um drüben, nach einer Jagd dem Förster ein Trinkgeld zu geben oder einen Humpen Bier zu bezahlen.

Praktische Bedeutung hat eigentlich die Markentwertung heutzutage keine mehr. Man konnte sich darüber aufregen, solange die Verbilligung der Gebrauchswerte mit der Entwertung des Zahlungsmittels nicht Schritt hielt. Das war die Zeit des Runs auf die Valutakäufe. Aber längst hat sich der Preis der Ware auf den Wert der Mark eingestellt, und ob ich heute sage eine Mark oder eine Million Mark - der Unterschied läge höchstens im Speichelverbrauch. Wenn Du heute für eine Million nur dasselbe bekommst, wie früher für eine Mark, und wenn 20 Papiermillionen im Wert einem goldnen Zwanzigmarkstück gleichstehen, so ist eigentlich und theoretisch an der früheren, normalen Sachlage nichts geändert. In normalen Zeiten ist der Papierumlauf bis zu einem bestimmten Prozentsatz durch eine Goldreserve gedeckt. Der Papierumlauf steht aber in einem ganz bestimmten Verhältnis zu der @ vorhandenen Summe von Gebrauchswerte@ Summe ist den Schwankungen der Pap@ gegenüber konstant. Die Papiervaluta kann @ wahnfinnige Sprünge ausführen, die zwei F@ Goldreserve und Summe der Gebrauchsw@ ihrerseits in einem bestimmten Gegense@ verhältnis stehen, sind der ruhende Pol @ Erscheinungen Flucht. Die Mark heißt eb@ mehr Mark, sondern Million, das ist de@ Unterschied.

Nur im geistigen Kulturvermögen ist e@ entwertet. Die Million als Begriff ist e@ Die Million war immer etwas, woran sich @ Massen die Vorstellung des Kostbaren, Selte@ erreichbaren knüpfte. Sie saß märchenha@ Sphynx halb Sirene, wie die Loreley au@ Höhe und kämmte sich ihr goldenes Haar mit @ Kamme. Wieviele haben sich bei den Kletter@ zu ihr hinauf physisch und moralisch d@ gebrochen! Als Kinder glaubten wir, @ Haus, in dem ein Millionär wohnte, müßten @ Steinpfeilern eiserne Ketten gespannt sein.

Heute lacht das Volk über die Million @ eine in die Gosse gestoßene Majestät. E@ hunderttausend Millionen in eine Westenta@ nur die besondere materielle Beschaffen@ Millionenmarkscheins bewahrt ihn noch @ gelegentlichen Verwendung als Closetpapie@

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    Katalognummer BW-AK-011-2487