Original

30. Oktober 1923

Die Presse hat ausführlich über allerhand neue Aufmachungen in unserm Stadttheater berichtet.

Die Sache ist es wert, daß die öffentliche Meinung dabei verweilt.

Von Luxus war bisher an und in unserm Theater nichts zu merken. Allerlei Ansätze zur Schaffung größerer Behaglichkeit hatten es beim besten Willen nicht fertig gebracht, Stimmung in diesen alten Kasten zu bringen, weil die Mittel fehlten - und vielleicht auch das nötige Interesse seitens der sogenannten maßgebenden Faktoren.

Diesmal hat es einen merklichen Schub nach vorwärts getan und man darf sagen, mit relativ geringem Kostenaufwand ist in der Hauptsache erreicht, was erreicht werden konnte. Die Einzelheiten wurden von den Zeitungen aufgezählt. Aber auf die Gesamtwirkung kommt es an. Diese ist in glücklichster Weise erzielt, weil ein Fachmann, der mit Erfahrung und Sachkenntnis warmes Interesse für die Sache verbindet, sie uneigennützig in die Hand genommen hat. Herr Architekt Georg Traus hat für die Ehre, die ihm der Gemeinderat mit seiner Ernennung in die Theaterkommission erwiesen, damit quittiert, daß er die Arbeiten fürs Theater unentgeltlich geleistet hat. Dies verdient besonders deshalb Erwähnung, weil es dazu beitragen wird, die Freude der Luxemburger an ihrem Theater zu erhöhen. Denn Hingabe an eine Sache des Gemeinwohls wirkt immer ansteckend.

Und wir können jetzt wirklich einmal von unserm Theater, statt unserer Kunstscheune reden. Wir werden uns nun auch für den Bau als solchen, für das Heim der Kunst statt für die Kunst allein einsetzen. Die Theaterfrage ist für uns in ein neues Stadium getreten, weil unser Thaliatempel aus einem, Notbehelf wirklich einmal zu einer stimmungsvollen Kunststätte geworden ist, zu einem hilfreichen Faktor für einen Kunstbetrieb, der ganz auf Fiktion, also auf Stimmung gestellt ist.

Mit den vorhandenen Räumlichkeiten - sagen wir besser: mit dem vorhandenen Raum ließe sich noch viel mehr machen, um das Theater als Kulturwerkzeug den Luxemburgern wert und unentbehrlich zu machen. Um nur an gewisse malerisch-gesellschaftliche Veranstaltungen zu denken: Es wäre sehr wohl möglich, schon nach der jetzigen Umgestaltung des Theaters darin zum Beispiel Bälle nach dem Vorbild der Pariser «Bals de l’Opéra» zu veranstalten. Saal und Bühne ließen sich zu einem einheitlichen Rahmen für choreographische Veranstaltungen nach einem künstlerischen Losungswort herrichten, die Teilnehmer hätten den doppelten Genuß, abwechselnd als Mitwirkende und als Zuschauer aufzutreten. Angenommen, zum nächsten Karneval täte sich eine Gesellschaft zusammen und gäbe die Losung aus: Ein Ball mit lauter Figuren aus den Stücken von Dicks. Herr Jules Vandivoet würde aus der Bühne ein anheimelndes Stück Alt-Luxemburg machen, im Saal trieben sich alle die pittoresken Persönlichkeiten um, die Dicks geschaffen hat, der Schornsteinfeger und der schöne Kanonier, der Papschossel und der Hexenthommes, die Mumm Se’ß und die pretiöse Frau Tulipant und die Mary und die Kätty und Lisy mit ihren Freiern usw. Und auf dem Balkon säßen die, die nicht mitmachen wollen, und wer Durst hätte, käme in den beiden Foyers auf seine Kosten und der Büffet-Wirt würde einigermaßen entschädigt für den Aufwand, den er das Jahr über machen muß, ohne viel dabei aufzustecken.

Sehen Sie, das alles ließe sich machen und wir hätten uns Fastnacht mit Sinn und in Schönheit amüsiert.

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KatalognummerBW-AK-011-2496