Original

10. November 1923

Nennen wir ihn Emil Frank, damit er nicht unverdient von den Vorteilen der lateinischen Münzunion ausgeschlossen sei und damit er nicht an der Valutamisere mit zugrunde gehe.

Aus Liebe zu den Menschen seiner Umwelt war er Tierarzt geworden. Denn er wußte, daß es dem Bauer lieber war, wenn einer ihm eine Kuh oder Pferd, als wenn ihm einer die Schwiegermutter oder sogar die Frau kurierte.

Er war dafür bekannt, daß er sehr vieles spassig nahm, wovon die Leute erwartet hatten, daß er es ernst nehmen würde, und umgekehrt. Aber wenn man jedesmal die Sache im Licht der wahren Weltweisheit und der Nächstenliebe betrachtete, die nicht christlich zu sein braucht, um wirkend zu sein, so fand man, daß er gar nicht daneben gegriffen hatte.

Von diesem geraden Menschen, der wie gesagt aus Liebe zu seines Gleichen ein Arzt der Tiere geworden war; hörte ich eine lustige Historie, die hier kurz erzählt werden soll.

Damals lebte in der Nachbarschaft Emil Franks ein Bauer, der vormals einen großen Betrieb gehabt, ihn aber langsam abgestoßen und nur die Pferde davon zurückbehalten hatte. Der Bauer hatte von der Arbeit eine ähnliche Auffassung, wie vom Wein, nämlich daß man sie möglichst lange aufbewahren soll und daß sie vom Liegen immer besser wird. Er stand in seinen Kreisen mit dieser Ansicht ziemlich vereinzelt, und wenn er persönlich und in seinem leiblichen Wohlbefinden einstweilen noch keinen Nachteil verspürte, so merkten andrerseits seine fünf Gäule im Stall sehr wohl, daß der Hafer ganz ausblieb und daß das Heu allmählich so dicke, lange und gelbe Halme bekam, daß selbst der blinde Piro darauf hätte schwören können, es sei eitel Stroh. Und wenn die fünf einmal zufällig das Wort Hafer hörten, so ward ihnen zumute wie den Kindern Israels in der Wüste, wenn einer von den Fleischtöpfen Ägyptens zu sprechen anfing.

Da nun aber der Bauer in Betracht seines subjektiven Wohlbefindens. in keinerlei verfängliche Gedankengänge sich zu verlieren hatte, so dachte er auch nicht lange über die Ursachen nach, die der tagtäglich sichtbarer auftretenden Abmagerung seiner Pferde zugrunde liegen mochten, sondern tat, was ihm in solchem Falle als das Nächstliegende und Bequemste erschien: Er schickte zum Tierarzt.

Dieser kam, ließ sich vom Bauer in den Stall führen und erklären, was mit den fünf Rößlein kos sei.

Emil war außer einem guten Tierarzt ein passabler Menschenkenner und sagte: „Dat werde mäer elo scho gesiehn.“

Hinterher schrieb er dem Bauer in der Stube ein Rezept auf, mit dem dieser dann in die Apotheke fuhr. Vorsichtshalber frug er aber erst den Apotheker, ob der glaube, daß die Medizin seinen Pferden wieder auf die Beine helfen werde.

„O ja, daran zweifle ich keinen Augenblick,“ sagte der Apotheker. „Aber wenn ich Ihnen diese Arznei verabfolgen soll, wird sie Ihnen über die Maßen tener zu stehen kommen. Sie tun besser, sich an den Pissinger zu wenden, der damit im Großen handelt.“

„Wieso?“ fragte der Bauer.

Da reichte ihm der Apotheker das Rezept. Der Bauer las es und fluchte: „Dieser verdammte Kerl, ich schlage ihm die Knochen entzwei, daß er sie im Sacktuch heimtragen muß.“

Der Emil hatte seinen Pferden einen Waggon Hafer verschrieben.

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