Original

17. November 1923

„Dem einen sei Eul dem annern sei Nachtiga@ sagt in diesen Tagen das Schwein zum Rino, w@ unter den Hausgenossen die Bewegung entsteht, @ einer Kirmes vorauszugehen pflegt. Eines schön@ Morgens hören die Kinder und die paar al@ Leute, die werktags in der Frühmesse sitzen, in @ Stille des Gotteshauses herein das verzweifelte, @ zerreißende, langsam abschwellende Geschrei dessel@ Schweines gellen, weil man ihm die Knie auf @ Leib gesetzt und das Messer in die Kehle gesto@ hat. Und während sie draußen vor dem Dorf @ Strohsackeln um seinen Leichnam kreisen und ihm @ Vorsten absengen, hängt sein Freund das @ind @ geöffneter Brust- und Bauchhöhle in der Scheune @ harrt der Zerteilung.

Das ist die Eul für die einen.

Die Nachtigall für die andern aber kommt, we@ sie sich an den Kirmestisch setzen, nach der Suppe @ Röcke ausziehen und hemdärmelig über die schätze@ werten Nahrungsmittel sich hermachen, die aus ein@ toten Schwein und einem toten Rind bere@ werden können.

In diese Zeit des Jahres fallen viele Kirmess@ Am Sonntag beispielsweise war Kirmes in Wor@ dingen. Ein Mann aus Wormeldingen erklärte @ die Vorzüge einer Winter- vor einer Sommerkir@ „Sehen Sie zum Beispiel die Ehnener, die häben @ Kirmes im August, wenn alles von Fremden wimm@ Was haben sie davon? Sie schlachten ein Schwe@ sie schlachten ein Rind, sie holen die leckern Schin@ vom vorigen Jahr aus dem Speckkämmerchen. @ am Mittwoch Morgen können sie grade noch @ Knochen ablecken. Es sind zuviele, die mitessen woll@ Während dahingegen wir Wormeldinger, wir ha@ unsere Kirmes im November, wenn die kalten Re@ durchs Moseltal ziehen, wenn die Stürme brau@ und das Feuer im Osen brummt. Dann bleiben @ Fremden zuhaus und wir behalten unsere Schin@ und Braten und Würste und Torten für uns, @ führen sie uns in aller Gemächlichkeit zu Ge@ ohne die vielen Mitesser, die sich nachher den @ abwischen und verschwinden. Und was wir an @ drei Kirmestagen nicht bewältigen, das verschönt@ das Dasein noch Tage und Wochen lang nach@ Jawohl, da liegt der Unterschied!“ sagte er @ Genugtuung und führte vor seinem Mund mit @ Rechten die Gebärde des Hineinscheuerns aus.

Der Mann hat von seinem Standpunkt recht. @ sächlich unterscheiden sich die Kirmessen hierzuland@ und wohl auch sonstwo - in reine Eß-Kirmessen @ in Spiel-, Tanz- oder Juxkirmessen. Jene liegen @ den Winter@ diese in der schönen Jahres@ Die beiden sind in ihrem tiefsten Wesen voneinan@ verschieden. Eine Kirmes in Contern, sagen wir @ oder in Frisingen, oder in Wilwerwiltz, oder in @ oder auch noch in Remich Ende September, ist e@ wesentlich anderes, als eine Kirmes im Winter. @ Festesfreude entfaltet sich unterm blauen Son@ himmel, braucht sich nicht in dumpfigen Stuben @ zutoben, schon die Reise zu einer solchen Kirme@ ein Genuß, als Allerschönstes steht mir in Erinner@ wie auf dem „Scharbang“ der weiß und rot @ würfelte Pfühl lag und wie die Sonne da@ leuchtete, dieselbe Sonne, die sich in den re@ Kirschen und in den hellen Kinderaugen spiegel@

Ich gehe so weit zu behaupten, daß es auf @ Charakter der Bewohner einer Ortschaft von @ scheidendem Einfluß ist, ob ihre Kirmes im Som@ oder im Winter liegt.

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