Ein Freund schickt mir eine Ansichtskarte „zur Dokumentierung geographischer Kenntnisse in Belgien“. Sie zeigt ein übrigens sehr hübsches Bild der Bondorfer Mühle mit der Unterschrift:
«Ardennes Belges. Martelange. Le moulm de Bigonville.»
Auf Anhieb hätte dieser oder jener annehmen können, das sei wieder so ein Streich des Herrn Pierre Rothomb. Dem ist nicht so. Die Karte ist herausgegeben von der Druckerei und Buchhandlung M. Prom in Martelingen, deren Besitzer zweifellos in mehr oder weniger enger Abstammungsgemeinschaft mit der luxemburger Familie Praum steht. Aber wenn man Praum heißt und die Leute haben ein Menschenleben lang «Bonjour monsieur Prom» zu einem gesagt, so schreibt man sich schließlich der Einfachheit halber Prom.
Herr Prom, der in Martelingen - also in Belgien wohnt - es sei denn, er wohnte dicht daneben am Ufer der „Ro’mecht“ oder Rombach -, Herr Prom könnte als Nachbar der Bondorfer Mühle wissen, daß sie nicht in den belgischen Ardennen, sondern im Großherzogtum Luxemburg liegt. Sie ist erst kürzlich wieder dadurch berühmt geworden, daß Herr Humbert de Wendel im „Woog“ der „Bungereffer Millen“ eine vierpfündige Forelle sportgerecht gefangen hat.
Wenn also Herr Prom diese malerische und berühmte Mühle auf belgisches Gebiet verlegt, so muß er einen Grund dafür haben. Vor dem Zollverein mit Belgien wären durch eine solche Grenzberichtigung die Schwierigkeiten des Schmuggels behoben gewesen. Heute fällt dieser Beweggrund weg. Herr Prom kann meiner Ansicht nach nur den Zweck verfolgen, langsam und unbemerkt ein Stück unseres Ländchens für Belgien zu annektieren, in der naiven Annahme, daß kein Hahn darnach krähen wird.
Bei näherem Nachdenken finde ich, daß Herr Prom hiermit ein Verfahren eingeschlagen hat, dessen segensreiche Folgen in der Zukunft kaum auszudenken sind. Ich rate ihm, zunächst seine Versuche fortzusetzen und das Operationsfeld weiterauszubauen. So wie wir merken, daß es nicht weh tut, lassen wir ihn ruhig gewähren. Ich würde vorschlagen, als nächste Serie «La Sûre belge» herauszubringen, mit allen Sehenswürdigkeiten von Bauschleiden bis Wasserbillig. Als zweiter Grenzfluß käme dann die Mosel dran. Vorkäufig wäre Herrn Prom davon abzuraten, auch das rechte Moselnfer von Perl bis Wasserliesch mit zu annektieren, die junge rheinische Republik könnte es krumm nehmen. Dagegen könnte er mit der Alzette - L’Alzette belge - nach Herzenslust operieren und als Krönung des Ganzen eine Karte mit Schloß Berg, Sommeraufenthalt des belgischen Königspaares, herausbringen. Im weiteren kämen Attert, Eisch und Mamer, Pratzer Tal, Mariental, Dierental dran. Und mit berechtigtem Stolz könnten die Belgier ihr neues nationales Ansichtenalbum durchblättern und sagen: Wahrhaftig, ich hätte nie gedacht, daß dies kleine Belgien so groß und so schön wäre!
Andere Völker würden ganz sicher keinen Augenblick zandern, das Verfahren des Herrn Prom zu übernehmen. In Berlin würden Karten gedruckt mit Ansichten aus „Deutschlothringen“ und aus dem „deutschen Elsaß“, der Straßburger Dom, der Hohbarr, die Hohkönigsburg, Metz und Suftgen würden wieder deutsch, ohne Schwertstreich, ohne Blutvergießen. Und zu guter Letzt wäre es auch uns Luxemburgern gestattet, um uns herum nach Herzenslust zu annektieren. Ich sehe bereits Ansichtskarten wie zum Beispiel diese: «Champagne Luxembourgeoise, Epernay» oder «Le Brabant Luxembourgeois. Bruxelles, le Palais du Grand-Duc» usw. Rundherum, wie gesagt, würden wir luxemburgisch machen, was uns gefiele. Nur mit Trier glaube ich nicht, daß wir großen Spaß hätten.
Damit hat Herr Prom der Welt und den Völkern gezeigt, wie sie es in Zukunft machen sollen, ihren Länderbesitz zu erweitern, ohne sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Das Resultat wäre schließlich, wenn man es recht bedenkt, genau dasselbe.