Original

21. November 1923

Ein Wort klingt aus Kindheitstagen herauf, @ putziges Wort von dem ein Duft wie aus @ Truhen und Schubladen ausgeht: Poppestecke@ Puppenstücke. Hattest Du, lieber Leser, @ Schwestern, Cousinen, Nachbarmädels, die manch@ mit ihren Puppenstücken spielten? Hast Du nicht @ eine Frau, die auf dem Speicherboden noch @ einen Kasten voll Puppenstücke stehen hat? @ weiblicher Mensch ohne Puppenstücke ist nicht den@ In den Puppenstücken offenbart sich die wei@ Psyche wie in nichts anderm. Nirgends trit@ deutlich das Bedürfnis des Weibes zutage, all@ bewahren, nichts umkommen, nichts vergehe@ lassen. Das ist das Korollar seiner Bestimmun@ der Natur. Die Frau ist das Bleibende, die Bun@ genossin der Natur bei der Wunderwirkung@ Lebens, und da sie das Bleibende ist, muß sie @ richtig das Erhaltende sein Der Mann geht @ über, die Keime wachsen, das Werden geschieht @ ihn. Er kann Werte schaffen, aber es liegt nicht@ seinem Instinkt, sie zu erhalten, zumal nicht, @ sie nicht unmittelbar zu verwenden find. Ein @ licher Handwerker sammelt wohl alte Schra@ Nägel, Stücke von Material in einem Kasten, @ er weiß, er kann jeden Tag, jede Stunde dafür @ wendung haben. Das Weib sammelt schon als @ Puppenstücke in der unbestimmten Erwartung, @ es sie vielleicht eines Tages wird gebrauchen kö@ wie? wozu? das gilt gleich. Sie sind da, sie we@ nicht vernichtet. Und der Kasten mit den Pu@ stücken ist der Schatz, der um so köstlicher ist, al@ ja außerhalb der täglichen, pflichtmäßigen @ wendung steht. Kleider, Bett- und Tischwäsche, @ räte, Zucker, Salz, Eier, Butter, Schmalz, Karto@ die Schränke mit dem eingeweckten Obst, die @ mit den getrockneten Bohnen usw. usw., das sind@ Schätze, aber sie sind notwendig, sie haben nicht @ köstlichen Beigeschmack des Überflüssigen, de@ die man nicht aus Not, sondern aus Lust @ Jedes Mädchen und jede Frau kennt die Wonn@ Kramens in den Puppenstücken. Da ist nicht nu@ Freude am Besitz, da ist der Genuß der Erinner@ Jedes Samt- und Seidenläppchen redet die @ heimliche Sprache der Erinnerung. Dieses Stü@ grünen Tefts gehörte zu jenem Karnevalsko@ in dem sie sich zum ersten Mal verliebte, dieser b@ Samtlappen stammt vom Besatz des ersten @ Kleides, das sie trug, hier liegt, verkrumpel@ verschossen, das Hütchen der letzten, dort das S@ chen der ersten Puppe. Wir Männer können nich@ ferne ahnen, was ein verlorenes Stündchen Kr@ @ den Puppenstücken seelisch für eine Frau bedeutet. @ Die Frau hat Puppenstücke, die nicht nur aus @mt, Seide, Baumwolle und Leinen bestehen. Ihre @uppenstückerpsyche betät@gt sich auf allen Gebieten. @ch kannte eine Dame, die jedes Jahr auf ihrem Bal@n, wo nie ein Sonnenstrahl hindrang, Tomaten zog. @e pflanzte sie in Töpfe, sah sie keimen, wachsen, @ langsam entwickeln, so langsam, daß ihre Tomaten @ch grasgrün waren, wenn andere rot in der @gust- und Setpembersonne strotzten. Um Aller@ligen herum erntete sie sie in eine Schüssel und @llte sie auf den Speicher. Ihre Tomaten glichen @ünen Nierchen, es war nichts, aber auch gar nichts @amit anzufangen. Trotzdem wurden sie sorgfältig @erwahrt, bis sie verfault oder vertrocknet waren. @ieber hätte die Dame sich eine Hand abhacken @ssen, @ daß sie die grünen, vollkommen wertlosen Dinger @n der Staude weg fortgeworfen hätte.

Jeder hat in seinem Leben solche Frauen mit @uppenstücken gekannt, und es war nicht immer zum @achen.

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KatalognummerBW-AK-011-2513