„Viele Kinder in einer Familie sind heute ein Reichtum!“ sagte am Mittwoch Herr Kammerpräsident Altwies. Er sagte es an einer Stelle, von der aus seine Worte den größten Widerhall im Land haben mußten. Sie haben hoffentlich allen Malthusianisten in den Ohren gegellt.
Herr Altwies hat natürlich recht. Aber warum sprach er von heute, wo er eine Wahrheit sagte, die auf alle Zeiten zutrifft, mit den biblischen angefangen? Immer noch wurde von einem Kindersegen und vom Fluch der Unfruchtbarkeit gesprochen.
Nun werden die meisten sagen, der Kinderreichtum verdiene diesen Namen nur in den Bauernfamilien oder andern Betrieben, wo die Kinder als zuverlässigste Arbeitskraft in Betracht kommen. Die Fälle sind häufig, wo ein Landwirt mit sechs, sieben, acht Kindern seinen Hof aus den Schulden völlig herauswirtschaften konnte, oder wo eine Wirtschaft, ein Geschäft dank der Hilfe der Kinder in die Höhe kam.
Aber, sollte man sagen, da, wo eine Vermehrung oder bessere Verwaltung des Einkommens durch die Mithilfe der Kinder nicht zu verwirklichen ist, in Beamtenfamilien zum Beispiel, kann eine große Kinderschar doch unmöglich Reichtum bedeuten. Wo zehn hungrige Mäuler zu stopfen sind, kann der Mann nicht viel auf die Sparkasse tragen.
Das stimmt. Aber da findet die Bereicherung auf indirektem Wege statt.
Zunächst wird in einer kinderreichen Familie jedes Einzelne zum Kampf ums Dasein von klein auf erzogen. Die gebratenen Tauben fliegen keinem in den Mund, und ob auch die Eltern über die gleichmäßige Verteilung der Genüsse noch so unpartetisch wachen, jedes sucht doch immer seinen Vorteil zu ersehen oder sich vor Schaden zu hüten. Im beständigen Kontakt mit den andern lernt jedes seinen Witz und seine Kräfte gebrauchen und sich für den Ernstfall ertüchtigen. Und so gehen aus den kinderreichen Familien in der Regel die hervor, die zur Eroberung der Welt im Kleinen und Großen am besten gerüstet sind, und in diesem Sinn kann man wohl von dem Reichtum reden, den die Kinder darstellen.
Freilich, nicht jedes Elternpaar ist geeignet, eine große Zahl von Kindern erstens zu zeugen und zweitens zu erziehen. Beide müssen der heiligmäßig ernsten und schwierigen Aufgabe gewachsen sein, körperlich tüchtigen Menschen das Dasein zu schenken und sie so zu erziehen, daß jedes für sich einen Aufstieg bedeutet. Solche aufeinander abgestimmte Wesen finden sich relativ selten zusammen. Und ebenso selten sieht man, daß Spräßlinge einer kinderreichen Familie die Überlieferung fortsetzen und ihrerseits sich vermehren, wie der Sand am Meere. Umgekehrt findet der Fall sich häufig, daß die Söhne und Töchter kinderreicher Familien sich mit einem oder zwei eigenen Ablegern begnügen. Wahrscheinlich aus purer Elternliebe, weil sie sich ihrer entbehrungsreichen Kindheit erinnern und wollen, daß ihr eigenes Fleisch und Blut es besser habe. Den erzieherischen Wert des Verkehrs mit vielen Geschwistern und des Zwangs zum Entbehren schlagen sie nicht so hoch an, wie die unbeteiligten Pädagogen.
Soviel ist sicher: Es ist schade um jedes ungezeugt gebliebene Kind. Es ist die unausgenützte. Möglichkeit einer Wesenskombinierung, die der Familie, der Gemeinde, dem Staat, der Welt vielleicht ein Genie, einen Wohltäter, einen Erlöser geschenkt hätte. Aus all den Keimen, die in zwei Geschlechterreihen durch Jahrhunderte zurückgehen, kann sich bei jeder neuen Menschwerdung eine Mischung finden, die aus dem neuen Wesen einen Segen, ein Wunder - allerdings auch einen Fluch und ein Scheusal machen kann.
Wenn sich nun alle Welt mit der Wahrheit jenes Ausspruchs durchdränge und alles auf immer größeren Kinderreichtum lossteuerte, so wäre der Zeitpunkt zu errechnen, wo die Erde nicht mehr für alle Platz hätte. Denn die große Aufräumerin- Pest ist zur Ohnmacht verdammt und den Krieg wollen wir ja auch unmöglich machen. Also käme dereinst der Tag, wo die Erde dermaßen überfüllt wäre, daß an Auswanderung gedacht werden müßte.
Und da der Menschengeist noch immer alles erfunden hat, dessen Notwendigkeit sich aus der Zuspitzung der Zeitläufte ergab, so dürfen wir mit Bestimmtheit darauf rechnen, daß der interastrale Verkehr nur eine Frage der Zeit ist, und daß in 500 bis 1000 Jahren eine regelmäßige Transportverbindung zwischen der Erde und dem Mond, dem Mars und den umliegenden Biersternen bestehen wird.