Original

1. Dezember 1923

Unsere Mosel kämpft einen zähen Kampf um ihre wirtschaftliche Existenz, und sie verdient, daß sie dabei auf jede Weise unterstützt wird. Denn ihre Produktion ist wie kaum eine andere auf harte, grimmige Arbeit gestellt und unsere Winzer sind mit an erster Stelle repräsentativ für die Art unserer Rasse.

Sie haben seit Jahren eingesehen, daß sie ihr Heil im direkten Herankommen an die Kundschaft suchen müssen. Ihr Wein ist in weiten, namentlich Auslandkreisen, aber auch bei den inländischen Weintrinkern in den entfernteren Landesteilen nicht so bekannt, daß sich dafür gewissermaßen ein Geschmacks-Standard herausgebildet hätte. Wenn Sie einem Luxemburger meinetwegen aus dem Ösling einen guten, heimischen Mosel vorsetzen, wird er in der Regel sagen: Hm ja, das ist ein guter Tropfen, dazu würde ich mich schon bekehren. Aber was wollen Sie, wir kennen nichts von Wein, wir nehmen, was uns die Händler verkaufen.

Es gibt aber Händler und Händler. Es gibt die reellen Firmen, die man an den Fingern der Hand aufzählen kann und die jeder Interessierte kennt, und es gibt die obskuren Pantscher, die biedermännisch die Welt hineinlegen und schuld daran sind, daß die Leute manchmal als luxemburger Mosel eine Brühe genießen, die vom Wein höchstens noch den Namen hat.

Schlechte Jahrgänge wollen auch getrunken und müssen daher verbessert werden. Aber es gibt da wiederum mehrere Arten der Verbesserung, eine, die ehrlich drauf aus ist, dem Wein nur zuzusetzen, was ihm die Sonne nicht verliehen hat, und ihn so genießbar und zum Genuß zu machen, und die andere, die betrügerischerweise den Charakter des Naturprodukts nicht als Hauptsache behandelt, sondern eine Flüssigkeit zu erzeugen sucht, die aus allem andern, nur nicht oder so wenig wie möglich aus Traubensaft besteht, aber auf der so viel wie möglich Geld verdient wird.

Es sind schon viele Versuche gemacht worden, der Allgemeinheit so direkt wie möglich unsere Moselweine aus den Kellern der Winzer zugänglich zu machen. Die meisten erstreckten sich zeitlich nur auf Tage und Wochen und blieben deshalb ohne nachhaltige Wirkung, andere arteten bald aus, weil sie mit untauglichen Mitteln oder von ungeeigneten Personen unternommen waren. Es steht aber doch fest, daß die Liebhaber eines guten, reinen Moselweins, wie sie in Luxemburg vorhanden sind, ihren Bedarf gerne an einer Quelle decken würden, von deren Zuverlässigkeit sie überzeugt wären. Sie haben ihre Lokale, von denen einzelne es zu einem wohlverdienten Rufe gebracht haben. Neben und über diesen aber ist Platz für ein Lokal, das sozusagen ein Stück Mosel nach der Hauptstadt verlegt, ein Mekka der Schoppenstecher, die letzte Zuflucht aller, die mit den Krahnenmücken die Liebe zum echten, unverfälschten, kellertemperierten Saft der Rebe teilen.

Ein Lokal, das Anspruch darauf erhebt, diese Forderungen zu erfüllen, tut heute seine Pforten auf. „Eine Gruppe von Winzern, so wird gemeldet, hat sich unter der Präsidentschaft des Herrn Abgeordneten A. Duhr zusammengeschlossen, um in Luxemburg eine ständige Ausschankstelle, eine Moselweinstube, zu gründen. Der Zweck ist, ähnlich wie früher im CercleRatskeller, ohne Zwischenhandel zu mäßigen Preisen garantiert naturreine Moselweine, sowohl im Glas als auch pro Liter an Private, sowie im Großen an die Wirte und sonstigen Abnehmer abzugeben. Die Eröffnung dieser Ausschankstelle, welche sich im Ratskeller des Kino Palace Dornseiffer, Luxemburg-Bahnhof, befindet, geschieht am heutigen Samstag, den 1. Dezember. Als Ausschankstelle wurde ein Ratskeller gewählt, weil jedes Glas, wie an der Mosel selbst, direkt vom Faß verzapft wird, damit durch Umschütten die Qualität nichts einbüßen soll.“

Der neue Ratskeller, in einer trinkfrohen Umgebung, liegt jedem zur Hand, der auf dem Wege vom und zum Bahnhof schon oder noch Durst nach einem bekömmlichen Tropfen verspürt.

Ich glaube, die beste Reklame im ganzen Land wäre es für diesen Ratskeller, wenn er sich vor allem die Kundschaft der Moselaner selbst verschaffen könnte. Arzt, hilf dir selbst!

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KatalognummerBW-AK-011-2522