Was mir an dem jungen Mann besonders auffiel, war das grünseidene Taschentuch. Es hing in breitem Zipfel aus seiner Brusttasche, wie der Ohrlappen eines King Charles. Wenn er ging, flatterte es lustig im Wind, wie eine Haarlocke. Von Zeit zu Zeit fühlte er mit der Hand darnach, ob es noch da sei.
Als ich ihn acht Tage später wieder traf, hing ihm immer noch dasselbe grünseidne Taschentuch in genau demselben weichen Faltenwurf aus der Brusttasche.
„Haben Sie ein Dutzend davon?“ konnte ich mich nicht enthalten zu fragen.
„Wovon?“
„Grünseidne Taschentücher. Ich hätte lieber verschiedene Farben genommen. So meint jeder, Sie tragen wochenlang dasselbe Taschentuch mit sich herum.“
„Aber es ist ja dasselbe!“ sagte er leicht entrüstet. „Es soll ja dasselbe sein. Es ist doch ein Geschenk aus der Tanzstunde.“
Ja so! Hier stand ich also vor einer neuen Verwendungsmöglichkeit des Taschentuchs. Ich wußte schon lang, daß es unser Mädchen für alles ist, daß wir es gelegentlich als Strumpf, als Portemonnaie, als Waffe, als Wichsbürste usw. gebrauchen. Hier tat es also Dienst sozusagen als Flagge. Dieser junge Mann segelte unter der Flagge eines jungen Mädchens, das ihm in der Tanzstunde ein seidenes Taschentuch geschenkt hatte.
Ich meinte, in solchen Fällen sollten die Tänzerinnen ihrem jeweiligen Knappen doch lieber mehrere Tücher in verschiedenen Farben schenken.
„Warum?“ fragte der junge Mann.
„Weil es immerhin - wie soll ich sagen - unkomfortabel ist, zu denken, daß so ein cavalier servant Wochen und Monate hindurch dasselbe Taschentuch gebraucht.“
Der junge Mann lachte überlegen.
„Von Gebrauchen ist ja gar keine Rede. Wenn uns unsere Tänzerinnen einmal seidene Hemden oder seidene Strümpfe schenken, so wird Ihre Befürchtung zutreffen. Aber hier - sehen Sie - das Tüchlein ist auf dem Grund meiner Tasche mit einer Sicherheitsnadel festgesteckt. Gebrauch also ausgeschlossen. Flaggen aber dienen, so lange ein Fetzen davon übrig bleibt.“
„Einerlei,“ sagte ich, „verschiedene Farben wären praktischer.“
„Gehen’s!“ versetzte er schelmisch. „Wenn wir die Farbe wechseln wollen, lassen wir uns ein Tuch von einer andern schenken.“
Mir graute vor so viel Flatterhaftigkeit.
Ja ja, unsere Jugend hat kein Ideal mehr ohne Lederfabrik.