Am Dienstag findet im Zivilkasino den scheidenden französischen Offizieren zu Ehren ein Bankett statt.
Der Abzug des französischen Militärs aus Luxemburg ist ein Ereignis, zu dem sich allerhand Betrachtungen anstellen lassen. Man hörte, als die Nachricht bekannt wurde, vielfach Zweifel daran äußern. „Sie werden bleiben,“ sagten die einen. „Sie müssen bleiben,“ die andern. „Sie kommen wieder, oder es kommen Belgier an ihre Stelle,“ war eine andere Vermutung, die mit den Allüren großer Bestimmtheit auftrat.
Wie wäre es, wenn man sich in diesem Betracht einmal an das hielte, was über die Anwesenheit der französischen Soldaten und ihren eventuellen Abzug seinerzeit klar und deutlich und offiziell erklärt wurde?
Herr Staatsminister Reuter hat seinerzeit in der Kammer, in Beantwortung einer Interpellation, die Erklärung abgegeben, das französische Militär sei auf seine Bitte hiergeblieben, um im Notfall die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Es werde abziehen, sobald seine Anwesenheit hier nicht mehr wünschenswert scheine, also jedenfalls sobald die Neuorganisierung unserer bewaffneten Macht durchgeführt sein werde.
An den Kammerwänden hallten damals noch leise Nachklänge des Putsches vom 13. August 1919 wider, viele dachten mit unangenehmen Gefühlen an die Bodenkammern oder den Kohlenkeller des Kammergebäudes, wo sie Schutz vor der Wut der Arbeitermassen gesucht hatten, in Esch überlief die Besitzer von Kaufläden noch eine Gänsehaut, wenn sie an die dortigen Plünderungen dachten, und die Zeit schien vielen noch nicht gekommen, Stadt und Land wieder unter den einzigen Schutz einer Handvoll luxemburger Freiwilligen zu stellen, von denen niemand sicher wußte, ob sie nicht lieber auf ihren Exkameraden Eiffes als auf ihre Offiziere hören würden. Es war somit ganz plausibel, wenn Herr Reuter sagte, er habe die Franzosen gebeten, zu bleiben. Und hätte er sie nicht gebeten gehabt, so wäre es vielleicht sehr staatsmännisch von ihm gewesen, es trotzdem zu sagen, weil er damit die Fiktion unserer unverletzten Staatsoberhoheit aufrecht erhalten hätte.
Indes die Ereignisse beweisen, daß er damals keine diplomatische Wendung gebraucht hat. Die Reform unserer Militärordnung steht bevor, und wenn schon vorher die Franzosen abziehen, so nehmen sie denen den Wind aus den Segeln, die gegen die Militärvorlage agitierten mit dem Argument, die Franzosen blieben ja doch immer hier und wir bräuchten darum keine eigenen Soldaten.
Dies ist also eine Sache, die sich so klar und logisch darstellt, wie selten eine in unserm öffentlichen Leben.
Wir dankten den französischen Soldaten, als sie kamen, wir danken ihnen nun, wo sie durch ihren Abzug den besten Beweis für die Achtung ihres Landes vor unsern Rechten erbringen.
Die Macht, die vor ihnen unser Gebiet gewaltsam besetzt hatte, war nicht gekommen mit dem Vorsatz, wieder abzuziehen. Hätte Deutschland den Krieg gewonnen, so wären wir heute ein deutsches Bundesstäätchen mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergäben. Frankreich hätte es in der Hand gehabt, aus uns ein französisches Departement zu machen. Es achtete unser Recht auf selbständiges Dasein, trotzdem es den Krieg gewonnen hatte. Das sind Betrachtungen, sachliche und unumstößliche, mit denen man sich auseinander setzen muß.
Die Offiziere und Soldaten, die demnächst von uns scheiden, scheiden als gute Freunde. Ihre Kameraden, die vor ihnen seit dem 23. November 1918 in Luxemburg vorübergehend garnisonierten, waren ebenfalls als Freunde gekommen und sind als solche geschieden. Alle hinterlassen den wohltuenden Eindruck, daß sie mit Takt und Diskretion, ihrer Pflichten als Vertreter Frankreichs bewußt, ihre Aufgabe unter uns erfüllten. Zwischen ihnen und vielen von uns haben sich Freundschaftsbande geknüpft, die nie zerreißen werden. Wir geben ihnen den Wunsch mit auf den Weg, daß es, dank ihrem und all ihrer Kameraden starkem Pflichtbewußtsein und Patriotismus Frankreich so bald wie möglich gelinge, seinen Rechten zur Anerkennung zu verhelfen, welches das einzige Mittel ist zur Befriedung der Welt. Möge es in schwer erkämpfter Sicherheit seine Stelle unter den Völkern behaupten und in den Werken des Friedens die Kräfte entfalten, die noch vielfach unverbraucht in seinem Volke schlummern.