Die vorzügliche kleine Kapelle spielte zur Abwechslung zwischen den Steps und Trotts auch einmal Dicksiana.
Die ersten Takte schon bliesen an allen Tischen die Gespräche aus, wie Lichter. Es wurde mäuschenstill. Köpfe und Füße schlugen den Takt und Lippen formten träumerisch die Worte der Lieder. Ich hörte eine kleine Schwarze, deren Augen diskret dazu blitzten, die Weise mitsummen: „Du brauchs mer neischt ze schwieren!“ Nur die Weihe der Stunde hinderte einen Tisch voll junger Tänzer, laut und rückhaltlos das Hexenthommeslied mitzugrölen. Aber von Tisch zu Tisch gingen die Blicke, die sagten: „Gelt, unser Dicks! Das war ein Kerl! An dem haben noch Geschlechterreihen zu zehren. Jawohl, wir sind nicht „von der Hecke gepflückt“, wir können was, wenn der Richtige antritt!“
Die Welle von Popularität, die zur hundertsten Geburtstagsfeier von Dicks übers Land ging, ist zurückgeebbt, aber die Tiefe, aus der sie aufpulste, birgt unverbrüchliche Treue der Massen zu dem Dichter und Komponisten, der ihrer Seele Wort und Klang geliehen hat. Denn hinter jedem Klang und jedem Wort von ihm steht ein lebendiger Mensch, der aus der Anonymität des Ganzen hervorgezogen ist und einen Namen und ein Gesicht hat, der Mary oder Kätty, Papschossel oder Neckel, Hary, Lisy, Holzknuet, Ficelle, Thommes, Mathes, Piereli, Se’ß oder Tulepant usw. usw. heißt. Jeder, der ein Lied von Dicks hört oder singt, sieht den Mitmenschen, der das alles vorbildlich gelebt und gelitten, genossen und geduldet, gejubelt und geklagt hat und immer wird der Sänger durch die Erinnerung an jenes andere, Lebendige, getragen und ergänzt.
Das Werk von Dicks - wie unbequem, daß sich mit ihm kein anständiger Genitiv bilden läßt - ist ein Stück Kulturgut, das wir um so eifersüchtiger hüten müssen, als wir von der Sorte so sehr wenig produzieren. Es ist kein nennenswerter Schatz im Vergleich zu den Riesentruhen, in denen andere Völker ihre Kulturkleinodien aufstapeln. Wir haben - bildlich - keine Schränke voll Familiensilber, keine Erbjuwelen, Diademe, Perlenketten, Brillanten usw. Wir haben eben nur Dicks. Ich weiß eine bescheidene Bürgerfamilie, aus der ein Ahn es einmal zur höchsten Würde im Staat gebracht hatte. Er war Minister geworden. Und er hatte von seinem Fürsten einen goldenen Siegelring als Anerkennung für langjährige treue Dienste bekommen. Mit diesem Ring als Petschaft hatte er viele wichtige Staatsurkunden gesiegelt und so seinen Namen auf immerdar zu ihnen in Beziehung gebracht. Dieser Siegelring wird in der Familie hoch in Ehren gehalten und von einem Geschlecht aufs andere vererbt. Es ist nur der eine Ring, aber durch ihn hängt die ganze Familie mit dem zusammen, was es für sie Höchstes gibt.
Dicks ist für uns so etwas wie der Siegelring eines Stammverwandten, der eine Zeitlang als Dichter, wenn auch bescheidener, auf der Menschheitzt Höhen wandeln durfte. Aber er wäre für uns wertlos, wenn wir ihn nicht offen trügen und sein Petschaft nicht so oft wie möglich unserm Leben aufdrückten.
Zur Zentenarfeier im Juli hatte sich eine auserlesene Truppe zusammengefunden, die Tausenden zum Genuß ein paar der Werke von Dicks in mustergültiger Weise aufführte.
Aber das soll nur die Einleitung gewesen sein zu einem Zyklus, in dem das ganze Schaffen des Dichterkomponisten dem Volke vorgeführt werden müßte.
Es dürfte kein Jahr vergehen, ohne daß auf unserer städtischen Bühne Dicks mit wenigstens einem seiner Stücke in der sorgfältigsten Aufmachung zu Wort käme.