Original

12. Januar 1924

Wir sind in Europa das Land, das am überzeugtesten auf den Amilitarismus, Antimilitarismus, Antikasernismus und Pazifismus schwört. Die wenigen Luxemburger ausgenommen, die früher zu den großen Paraden nach Metz und Longwy reisten, wußten wir keine Fahnenjunkeruniform von der eines Feldmarschalls zu unterscheiden.

Für Militär und Militarismus haben wir alle kein Organ. Und für den Krieg schwärmen wir um so weniger, als wir, zwischen Hammer und Amboß, dabei immer nur zu verlieren haben.

Nachdem so festgestellt ist, daß die Friedensliebe und zum mindesten die Gleichgültigkeit gegen alles Militärische einen integrierenden Bestandteil unseres Nationalcharakters bildet, dürfen wir mit Genugtuung davon Kenntnis nehmen, daß auch die internationale Arbeiterschaft so stramm wie möglich gegen den Krieg Front macht, eventuell sogar lieber den Kampf gegen die Bourgeoisie im eigenen Land führen würde. Wir gehen noch weiter, wir verdammen sogar den Bürgerkrieg, selbst wenn er internationalen Arbeiteridealen zulieb geführt werden soll. Denn der Krieg in jeder Gestalt ist Massenmord und Massenverbrechen. Auch wenn er nicht den Besitz als Endzweck hat, sondern zum Beispiel die Religion. Es gab eine Zeit, wo sich die Menschen die Köpfe darum einschlugen, ob sie auf die oder die andere Façon selig werden sollten. Man sieht, daß der Krieg nicht erst mit dem Besitz geboren ist.

Heute werden die Kriege angeblich um des Vaterlandes willen geführt. Vaterland ist ein Ideal, und wer für ein Ideal stirbt, ist ein Held. Leider scheint der Begriff Vaterland stark hinter die verdächtigen Gestalten zurückgetreten zu sein, die in seinem Namen schlechte Politik und gute Geschäfte machen, und die Soldaten hatten das eingesehen, als sie das Wort erfanden: Der Krieg ist schön, wenn nur der verfluchte Heldentod nicht wäre. Dennoch war 1914 im August der Nimbus des Vaterlands noch so stark, daß er selbst das Morgenrat des sozialistischen Zukunftsstantes überstrahlte, da die deutschen Sozialisten mit der Bourgeoisie zusammen die Kriegskredite bewilligten, rrha! rrha !! rrha!!!

Zum letzten Mal hätten sie es getan, heißt es heute.

Die Probe auf das Exempel käme die Welt wirklich zu teuer zu stehen.

Das letzte Mal, wann wird es gewesen sein? Wenn einmal, zum siebenunddreißigsten Mal sei es gesagt, zwischen Völkern dieselben ethischen und moralischen und strafgesetzlichen Normen gelten, wie zwischen Individuen, wenn die Menschheit sich bis ins Mark und von oben bis unten schämen wird, daß ein armer Teufel, der aus Hunger ein Brot stiehlt und niemanden etwas zuleide tut, als Spitzbube ins Gefängnis und daß ein Feldherr, der Millionen Feinde mordet, um in den Besitz einer Provinz zu gelangen, die sein Land grade gut gebrauchen kann, als Held in die Geschichte kommt.

Vielleicht wird es auf unserer Erde einmal Friede geben, wenn wir uns gegen die Bewohner des Mondes und des Mars gemeinsam zur Wehr setzen müssen.

Aber gesetzt den Fall, es wäre so weit, die Völker der Erde wären zusammengegangen und hätten gesagt: Wir bilden einen überstaatlichen Organismus, in dem jedes Volk wie ein Bürger sein soll und sich den Gesetzen fügen wird, wie sie für die Individuen heute gelten.

In diesem Fall müßte dieser Überstaat ein Organ haben, das dafür zu sorgen hätte, daß kein Volk sich gegen das gemeinsame Statut auflehnte. Also eine Armee von Gendarmen oder Polizisten oder Zivilgardisten. Und doch wäre der neue Überstaat die Negation des Militarismus.

Wir sind heute im selben Fall.

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