Herr Professor Dr. M. Tresch, der sich durch seine Arbeiten über Volkslieder einen Namen gemacht hat, schreibt mir:
„Zu dem Volksliede, das Sie auf einer Dorfhochzeit gehört haben und das Ihnen eine junge Frau aufgeschrieben hat, erlauben Sie mir einige Randglossen zu machen.
Wie es Ihnen bereits selber aufgefallen ist und auffallen mußte, ist der Vers in der vorletzten Strophe, den Sie mit Fragezeichen versehen haben, affenbar verstümmelt Statt.
Sie verabschneiden alle dreie her (?)müßte es sinngemäß heißen:
„Sie verabschneiden alle meine Ehr.“Es ist auf den ersten Blick ersichtlich, daß der Wortklang, wie so oft, durch seine Ähnlichkeit das Gedächtnis des Überlieferers getäuscht hat. Wenn es noch eines Beweises bedürfte, so hätte man ihn in der formelhaften Wendung, welche auch in andern Volksliedern wiederkehrt, wie zum Beispiel in einem Liede, welches anhebt:
Reveille.Des Morgens zwischen drein und vieren,Da müssen wir Soldaten marschierenDas Gäßlein auf und ab.„Mein Schätzerl, ach komm herab!“„Zu dir kann ich nicht kommen,„Es gehn viel falsche Zungen,„Die abschneiden mir meine Ehr„Und haben selbst keine mehr. ...“(Sammlung v. Hub. Stierling.Langewiesche Verlag, S. 119.)Noch ein anderes Lied fällt mir eben ein, welches ich auch hierlands schon singen hörte und das dem von Ihnen erwähnten näher steht:1) Es gibt keine Rosen ohne Dornen,Keine Liebe ohne Sorgen;Und wenn zwei Verliebte wollen frein,Muß die eine stets betrogen sein.2) Schönste Gärtnerin, du brauchst dich nicht zu mühen,Denn das Unkraut wächst in aller Frühe,Ob es Rosen sind oder Nelk,Denn die Blümlein werden alle welk.3) Schönstes Mädchen, zu dir darf ich nicht mehr kommen,Denn die Leute haben falsche Zungen;Sie abschneiden mir alle meine Ehr,Schönstes Madchen, zu dir komm ich nimmermehr...Übrigens ließe sich, schon aus dem verschiedenen Rhythmus des Anfangs sowie aus der Zerrüttung der zweiten Strophe, leicht nachweisen, daß wir es in dem von Ihnen zitierten Liede nicht mit einer einheitlichen, in sich abgeschlossenen Dichtung zu tun haben. Es handelt sich vielmehr allem Anscheine nach um eine Verquickung des alten Themas
Es saß ein armes MädchenAn seinem Spinnerädchenmit dem Gedankengang der Schwimmersage, welche in der niederländischen Version
Es waren-zwei Königskinder,Die hatten einander so lieb,ihren vollendetsten Ausdruck findet. Auch die „drei falschen Nonnen“, welche so unvermittelt auftreten, haben ihr Gegenstück in dem bekannten Vers:
Dat hörde ne falske Rune(Das hörte eine falsche Rune),d. h. ein dämonisches Wesen der nordischen Sage, eine Wassernixe oder eine Norne, welche auch das Licht auslöscht und den Untergang der zwei Liebenden herbeiführt.
Alle diese Umstände lassen darauf schließen, daß wir hier eine relativ späte und prosaische Überarbeitung der alten heidnischen Sage vor uns haben, bei welcher das Motiv von dem ausgelöschten Licht verloren gegangen ist in dem Maße, wie sie sich nach dem Süden ausgebreitet hat. Nur in Württemberg und am Chiemsee hat sich meines Wissens die Legende zu einem Roman zwischen einem Mönch und einer Nonne herausgebildet.
Wenn dieser Kommentar nicht schon reichlich lang ausgefallen wäre - eine alte Gewohnheit -, so hätte ich meinerseits ein schalkhaftes Volkslied hiehergesetzt, welches ebenfalls noch auf manchen Hochzeiten hierzulande gesungen wird und an dem Dicks jedenfalls auch seine Freude gehabt hätte, wenn es auch nicht spezifisch luxemburgisch ist:
Ein liebliches Mädchen, ein junges BlutErkor sich ein Landmann zur Frau ....“Soweit Herr Tresch. Er hätte ruhig das Lied hersetzen können, trotzdem es gleich im dritten Vers heißt: „Doch sie war einem Soldaten gut.“ Deshalb wären wir noch nicht in den Verdacht des Militarismus gekommen. Im übrigen werden ihm meine Leser ebenso dankbar, wie ich selbst, für seine sehr interessanten Ausführungen sein.