Es hat sich ein Verein „Landwuel“ gegründet zu dem Zweck, der Landflucht bei uns entgegenzuarbeiten.
Seine Statuten liegen vor mir. Es sind die schönsten Statuten, die ich kenne. Denn es sind die kürzesten. Sie gehen auf anderthalb Seiten einer Duodezbroschüre und umfassen neun Artikel.
Art. 1 umschreibt den Zweck wie folgt:
„Der luxemburger Verein für ländliche Wohlfahrt und Heimatpflege hat zum Zweck:
a)die gesamte ländliche Kultur zu fördern, so zwar, daß die durch Volkscharakter, Landschaft und Wirtschaftsweise bedingte ländliche Eigenart gewahrt bleibe;b)die Wohlfahrt des Einzelnen, besonders des wirtschaftlich Schwachen zu heben;c)der Landflucht entgegenzuarbeiten.Eigentlich ist c der Zweck, der durch a und b erreicht werden soll.
Ich habe mir außer den Statuten auch die Zusammensetzung des engeren und weiteren Ausschusses angesehen.
Im engeren Ausschuß finden sich ein Gutsbesitzer als Präsident, ein Agronom als Mitglied, außerdem zwei Professoren, ein Redakteur und ein Arzt.
Im weiteren Ausschuß sitzen ein Bezirksingenieur, ein Literat, ein Direktor der Ackerbauschule, ein Direktor des A. V. landw. Lokalvereine, ein Assekuranzdirektor, ein Direktor der Forstverwaltung, ein Pfarrer, ein Advokat, zwei Ackerbaubeamte, zwei Professoren, ein Lehrer und ein Landwirt.
Von den insgesamt zwanzig „Ausgeschossenen“ wohnen zwölf in Luxemburg, drei in Diekirch bezw. Ettelbrück, fünf auf Dörfern.
Von vornherein steht also fest, daß die Hilfsaktion von außen her gedacht ist und nicht etwa als Selbsthilfe aus ländlichen Kreisen heraus in die Wege geleitet wird.
Um so mehr wird sich die Vereinsleitung vor Mißgriffen und Kraftvergeudung in Acht nehmen müssen. Ein Widerstand gegen wirtschaftliche oder soziale Umstellungen, die sich aus der allgemeinen Zeitgestaltung ergeben, wäre Don Quichottismus.
Der Zug vom Land nach der Stadt beruht vielfach - das ist das Krankhafte und deshalb Heilbare an ihm - auf Überschätzung der Vorteile städtischen Lebens und Unterschätzung der ethischen, moralischen, physischen, materiellen Vorzüge des Lebens auf dem Land. Es ist sonderbar, daß grade der Bauer, dessen Wesen auf Deftigkeit beruht und beruhen muß, für das Tombakne der Stadtkultur oft keine Witterung hat, daß er für echt und wertvoll hält, was oft nur billiges, teures Simili ist. Wieviele sind auf diese Weise, nachdem sie sich leichten Herzens von der Scholle gelöst hatten, am Blendwerk der Stadt zugrunde gegangen!
In der Stadt, wie auf dem Land, ist Arbeit das eherne Grundgesetz, die erste Bedingung zum Fortkommen. Nur daß sich hier die Arbeit zwischen vier Mauern vollzieht und nur das Vergnügen seine Stätten an die Straßenfronten baut und die Erholung hinter großen Spiegelscheiben lockt. Der „ewige Sonntag“ der Städte ist es, was die von draußen sehen, und das Fatale ist nur, daß es aus diesem falschen Sonntag keine Rückkehr mehr in den Werktag des Landlebens gibt.
Der Verein „Landwuel“ hat sich ein edles, hohes Ziel gesteckt. Indes, nachhaltig wird es nur zu erreichen sein, wenn der Bauer wieder Achtung für seinen eigenen Stand gewinnt, wenn er einsehen lernt, daß er in seiner schlichten Art auch eine Kultur hat, die älter und schöner ist, als die straßenläufige Kultur der Städte Mein Kollege Loosli aus Bern schreibt in einem Aufsatz „Bildung“, der in dem Band „Bümplitz und die Welt“ (A. Benteli, BümplitzBern) erschienen ist:
„Der Kern, welcher unser Volk in seinen historischen Zeiten groß und kräftig machte, war immer das unverfälscht bäurische Element. Das stolze und trutzige Staatsgefüge der alten, wehrhaften Republik Be ruhte auf den kräftigen Schultern echter Bauern. Damals waren wir groß. Jetzt sind wir Hanswurst geworden. Salonbauern, die ihre Rauheit abstreiften um sich mit Anstand der Roheit zu ergeben.“
Sie sollen da draußen endlich begreifen, daß sie sie nicht in der Richtung auf städtische Kultur entwickeln, daß sie nicht immer mehr zu schlechten Städten, sondern immer mehr zu guten, bessern Bauern werden sollen. Wie die Frauenemanzipation fehl ging, so lange sie die Frau dem Mann angleichen wollte, sie die Frau als solche zu heben, so wird der Kam gegen die Landflucht erst dann aussichtsvoll geführt, wenn er das vorhandene bäuerliche Kulturgut mehrt und veredelt, ohne nach der Stadt zu schielen.
Das alles hat aber als erste, notwendige Voraus setzung, daß es dem Bauer gut geht, daß seine Stellung im Staat, der Wert und die Bedeutung seiner Arbeit anerkannt werden, und daß er in der Lage ist, an denjenigen, die ihn seines Bauern wegen über die Achsel ansehen, gelassen vorbeigehen.