„Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.“
Wir gebrauchen das Wort immer in einem sehr verächtlichen Sinn und suchen uns einzuprägen, daß dieser unvermittelte Übergang vom Schlagen zum Vertragen nur in den Niederungen der Menschheit zuhause sein dürfte.
Wir haben unrecht, in diesem Wart weiter nichts sehen zu wollen, als die wegwerfende Feststellung einer gesellschaftlichen Inferiorität bei einer gewissen Klasse von Mitmenschen. Das alte Diktum birgt Tiefen von individueller und Massenpsychologie.
Ja, wenn man richtig darüber nachdenkt, kann man finden, daß es eher einen Vorzug betont, als einen Tadel ausspricht.
Zunächst darf man das Wort „Pack“ nicht ganz in dem schlimmen Sinn nehmen, in dem es sonst gemeint ist. Sprichwörter setzen in ihrer gezwungenen Kürze manchmal ein Wort hin, das, um eine Seite eines Begriffs deutlich herauszustellen, eine andere Seite im Schatten läßt.
Mit Pack ist hier ein schlichtes, unkompliziertes Menschengut gemeint, das sich keine künstlichen Hemmungen antrainiert hat, das aus dem Vollen heraus seinen Wallungen nachgibt, das sich aus primitivem Angriffs- und Verteidigungstrieb schlägt und sich verträgt aus Müdigkeit, die bei ihm sich zu Sentimentalität verzuckert.
Aristotraten, Menschen auf den Höhen des Lebens, Kavaliere schlagen sich nicht - nur im Krieg und im Duell, wo Zorn und Haß und Rachsucht hübsch fein auf Geleise gestellt sind. Sie haben darum auch keine Gelegenheit, sich zu vertragen.
Da liegt der Reiz, die Lockung: Sich schlagen, weil man sich nachher wieder vertragen kann. Nach der Aufgepeitschtheit des Streites die Süße der Versöhnung genießen. Was richtiges Pack ist, das muß imstande sein, sich zu schlagen, um sich nachher vertragen, sich zu beißen, um sich nachher küssen zu können.
Ich dachte an das alte, tiefsinnige Wort, als sie am Donnerstag im Theater «Le feu qui reprend mal» spielten. Der Mann war durch vier Jahre Schützengraben gegangen, brutal, hemmungslos, primitiv - Pack geworden. Wir sehen ihn seine Frau brutalisieren und wohnen der Versöhnung bei, die ergreifender ist, als das Wiedersehen.
Als die Menschheit noch im Stadium des Packs war, schlug sie sich und vertrug sich.
Heute ist sie einen Schritt weiter. Leider nur einen. Sie ist noch Pack genug, sich zu schlagen, aber nicht mehr Pack genug, sich zu vertragen. Sie hat ihr Herz verhärtet, daß es wohl noch hassen, aber nicht mehr im Osterhauch des Friedens aufgrünen kann. Die Menschheit hat es verlernt, sentimental zu sein. Vielleicht ist es gut, vielleicht ist es übel. Wir denken betrübt an die Zeit, wo es noch möglich war, einen wahren Frieden zu schließen. Wo auf die Menschheit noch das Wort paßte: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.