„Theaterkritiker, die für Kunst den Maßstab der Nationalität, der Politik oder der Volkswirtschaft benutzen, werden nie klaren Auges und kühlen Herzens ihr Urteil abgeben können.“
So oder ähnlich stand es dieser Tage in einem sozialistischen Blatt. Indem der Urheber dieser Zeilen sich damit aufs Kinn spuckte, hatte er sehr recht.
Und weiter: „So wird man sich nicht wundern können, daß „Tageblatt“ und „Zeitung“ die denkbar ungünstigste Besprechung über Gerhardt Hauptmann’s „Elga“ veröffentlichen.“
Diese Besprechung soll deshalb so denkbar ungünstigst ausgefallen sein, weil die Kritiker erstens frankophil, zweitens kapitalistisch gebunden seien: „Frankophile Geldsackpresse“ - und weil Gerhardt Hauptmann Sozialist sei.
„Was hätte von Hauptmann aufgeführt werden dürfen, um die Zustimmung der frankophilen Presse zu finden? Etwa „Die Weber“? Dieses Loblied auf die kämpfenden, darbenden Arbeiter, auf ihren Kampf gegen die Unterdrücker, gegen den Geldsack!“
Warum nicht? „Die Weber“ und „Ratten“ zum Beispiel sind zwei Dramen, in denen Gerhardt Hauptmann als Milieuschilderung mit das Höchste geschaffen hat, was der deutsche Realismus buchen kann. Warum nicht die „Weber“ spielen lassen? Aber von Schauspielern ‚bitte. Denn sonst wird das Theater eine Wurstlerwerkstatt. Die „Weber“ sind immer noch ein gutes Stück, nicht weil, sondern trotzdem sie sozialistische Tendenz haben. Über diese als gewollt politisches Ingrediens des Dramas und über die Waschechtheit des Sozialismus beim Dichter und Erleber Gerhardt Hauptmann ließe sich streiten.
Man durfte unter den meisten Stücken von Gerhardt Hauptmann blindlings wählen, so wäre Besseres herausgekommen, als „Elga“. Von „Rose Bernd“ über „Fuhrmann Henschel“ bis „Gabriel Schillings Flucht“, von „Vor Sonnenaufgang“, „Friedensfest“, „Einsame Menschen“ usw. nicht zu reden. Der ganze realistische Hauptmann wäre in guter Aufführung für unser Publikum Neuland gewesen, da schon Jahrzehnte vor dem Krieg die deutschen Vorstellungen hier nur sehr sporadisch auftauchten. Es ist wirklich nicht wegen frankophiler Ablehnung deutscher Bühnenkunst, daß der Theaterreferent der „Luxemburger Zeitung“ seinerzeit von den hiesigen Erbpächtern der Franzosenfreundschaft in Acht und Bann getan wurde. Nichts ist besser geeignet, seine Neutralität zu betonen, als daß er jetzt der umgekehrten Tendenz bezichtigt wird.
Er stellte in seiner Besprechung von „Elga“ ausdrücklich die eigenartige Entwicklung des deutschen Bühnenwesens in den letzten Jahrzehnten fest und hätte es für selbstverständlich gehalten, daß die erste hiesige deutsche Aufführung seit mehr als zehn Jahren von dieser Entwicklung einen Begriff gegeben hätte. Ob sozialistisch oder „kaplistisch“, egal, nur Kunst! Dies war keine! Nie war ein Säuger so höflich, wie es vor diesen „Elga“-Leuten der Kritiker der „Luxemburger Zeitung“ war.