Original

24. Januar 1924

Bis unsere guten Freunde, die Trierer, ihre Revanche nach Paris tragen können, nehmen sie einstweilen mit uns vorlieb.

Wir haben ihnen vor zwei Jahren ihre Läden vor der Nase weg ausgekauft, sie drehen den Spieß um. Fair play. Nur machen sie es planvoller, denn sie sind die geborenen Strategen. Der Josef ist hier trgendwo seit Jahr und Tag in Stellung und hat das Gelände ausgekundschaftet. Er empfängt die Seinen am Bahnhof und entwirft mit ihnen an Hand einer Generalstabskarte der Stadt den Feldzugsplan. Vatter operiert im Süden, Mutter im Norden, Hede im Zentrum, Pitter und Kobes je im Osten und Westen.

Auf einem Streifzug durch die Läden begegnet mir ein Bekannter aus Trier, mit dem ich in der Porta Nigra eines Tages eine Flasche Trittenheimer getrunken hatte.

„Aha,“ rief er mir von weitem zu, „heute ist es an mir, eine Flasche zu geben.“

Ich sagte, die schweren Weine seien mir nicht bekömmlich, und ich begnügte mich mit einem Glas Zwanziger von unserer Mosel.

Er war was man nennt ein guter Kerl. Er schlug mir zutraulich auf den Oberschenkel und sagte: „Da wären wir also so weit, daß wir den Spieß umgedreht haben. Eine Zigarre? Bei uns zuhause würde sie drei Goldmark kosten, wenigstens, hier habe ich sie für zwei Franken erstanden.“

„Ich danke, ich rauche lieber meine Pfeife.“

„Tun Sie doch nicht so, als ob Sie früher auf all die schönen Sachen in Trier gespuckt hätten.“

„Ich hatte stets einen Widerwillen gegen die Valutaraubzüge. Mitleid mit Euch oder falsche Scham? Einmal mußte ich mir dort einen Kneifer ausbessern lassen. Sie erkannten mich als Luxemburger an meiner Aussprache und ich mußte, trotz der Valuta, mehr bezahlen, als mich hier ein neuer Kneifer gekostet hätte.“

„So zartfühlend waren Ihre Landsleute nicht. Und sagen Sie selber, heute, wo Sie Ihrerseits im Schlamassel sitzen, wären wir dumm, wenn wir die Lage nicht ausnützten. Wie du mir, so ich dir.“

„Nicht ganz so,“ sagte ich. „Die Dinge lagen bei Euch drüben anders, als sie heute bei uns liegen.“

„Da bin ich neugierig.“

„Ihr habt die Entwertung Eurer Mark künstlich betrieben, habt eine künstliche Verarmung Deutschlands erzeugt, um die Kriegsrechnung nicht bezahlen zu müssen. Und weil Ihr sie nicht bezahlt, darum sitzen die Sieger heute trotz ihrem Sieg in. der Tinte und darunter leiden wir mit. Als wir bei Euch die Valuta ausnutzten, waren wir Euch nichts schuldig, heute, wo Ihr unsere Läden plündert, schuldet Ihr uns Millionen, die Ihr nicht bezahlen zu können vorgebt. Ihr habt Euern Beamten, um sie bei der Stange zu halten, die Papiermillionen nachgeworfen, während Eure Großindustrie den Tiefstand der Mark ausnutzte, um Bombengeschäfte zu machen und sich im Ausland Devisen aufzuspeichern. Ihr hattet gleich bei Kriegsausbruch mit verblüffend neuen Methoden eingesetzt, Vertragsbrüche, dicke Bertha, Gas wie bei wilden Kaninchen - nach dem Krieg erfindet Ihr den künstlichen Selbstruin, um die Sieger klein zu kriegen.“

„Ja ja,“ lachte er, „sind wir nicht Kerle wie Samt und Seide! Uns kann keiner!“

„Ihr! Seid Ihr denn noch ein Volk? Was man an Euch als Volk achtete und liebte, das ist am Verhungern oder hat sich auf das Elend schon so trainiert, daß es dagegen immun geworden ist und seine Sendung, für Deutschland Zeugnis abzulegen, in rührendem Opfermut erfüllt. Der Rest sind Schieber, Profitmacher, blinde Klassenkämpfer, politische Abenteurer oder Schinderhannesnaturen usw.“

Er sagte: „Man sieht, daß Sie lange nicht mehr in Deutschland waren. Sie müssen mal wieder hinkommen.“

„Wenn Eure Goldmark den Weg der andern gegangen sein wird,“ sagte ich.

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