Original

25. Januar 1924

Im Volksbildungsverein spricht heute ein Deutscher, Dr. Gebhardt, über Walter Rathenau.

Der von Mörderhand gefallene deutsche Aufbanminister und Präsident der A. E. G. wird in Deutschland sehr verschieden beurteilt. Wir interessieren uns hier für ihn mehr, als für die meisten andern der deutschen Staats- oder Finanz- und Industriemänner, die in den letzten Jahren die Woge hochgetragen hat, weil er auch gelegentlich in unserer Wirtschaft seine Eisen im Feuer hatte, und weil er zweifellos die interessanteste Persönlichkeit war, die in der deutschen Großindustrie eine Rolle gespielt hat.

„Er beherrschte nicht nur die landläufige gelehrsame Bildung, sondern war als Leiter einer industriellen Gesellschaft auch in viele praktische Fragen eingeweiht. Er wußte nicht nur von Dämonologie, Transzendenz, ideellen Motoren, Histrionen, Homo- genisierung, ethischen Idealen und ähnlichen D@ zu reden, sondern auch von Spaltungs-Prod@ Effekt-Verlusten, elektrischen Vibrationen, Verm@ Umschichtungen, Lasten-Bilanz, Valutenverschl@ ung und dergleichen mehr.“ Das gesteht ihm @ der alldeutschen Gegner zu, die gegen ih@ dampfenden Broschüren zu Felde zogen. De@ Anti-Rathenauer gestand nach der Ermordung@ Bestgehaßten, man dürfe in ihm doch nicht „nur@ verhältnismäßig harmlosen, ehrlichen, feuillet@ schen und imfolgerichtigen, wenn auch angese@ und einflußreichen Vielschreiber und Projekte-@ sehen“.

Andere hielten ihn für einen Zukunftslehr@ Deutschen, wieder andere für einen gewissen@ heuchlerischen Fälscher und Geistesverwirrer, @ Stinnes nannte ihn einen gefährlichen Utop@ Als er Minister wurde, glaubten die einen @ daran, daß er das Reich aus dem Sumpf e@ die andern ebenso fest, daß er es Frankreich aus@ werde. Und die Unentwegten sangen: „Der @ in den Wäldern haust - Und Eichen raufet @ Faust - der nackte Arm mit Felsen spielt @ deutschen Lunge Kraft empfiehlt: Schießt a@ Walter Rathenau“ usw.

Man sieht: Viel stärker, als für Wallenste@ für Rathenau das Wort von der Parteien H@ Gunst, die sein Charakterbild verzerren.

Eins ist sicher, er war das eigenartigste i@ tuelle Phänomen der Zeit, die stärkste Kuppelu@ transzendenter Lebensanschauung und pra@ Eingreifen in die Materialitäten des Dasein@ Mensch, der zu alleroberst für seine Zeit charak@ war.

Wie man sich auch zu ihm stellen mag, man @ Pflicht gegen sich selbst, über diesen so viel @ fahren, wie einem zugänglich ist.

Heute abend spricht über ihn ein Deutsche@ man darf neugierig sein, welche Stellung di@ einem seiner hervorragendsten Landsleute @ wird.

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KatalognummerBW-AK-012-2566