Original

29. Januar 1924

Sprichwort - wahr Wort. - Nicht immer. Die Allgemeingültigkeit manchen Sprichworts hält einer schärferen Prüfung nicht stand. Gehen Sie einmal dem uralten Sprichwort: „De mortuis nil nisi bene“ auf den Grund.

Zunächst heißt es auf Deutsch nicht: Von den Toten soll man nur Gutes sagen - sondern: Von den Toten soll man lieber schweigen, wenn man nichts Gutes zu sagen weiß. Und schweigen heißt unter Umständen auch reden, oft sogar nachdrücklicher, als mit lauten Worten.

Der Deutsche drückt dieselbe Idee kürzer und bündiger aus: Laßt die Toten ruhen! Und der Franzose spricht von der Größe und Majestät des Todes, dem man Achtung schuldig sei.

Das ist nun aber ein optischer Fehler. Denn der Tod hat weder Größe noch Majestät. Die hat nur der Mensch, der groß und majestätisch zu sterben weiß. Der Tod genießt leider in den Augen der Menschheit ein Ansehen, das er nicht verdient und das schließlich nur auf ihre blasse Angst vorm Sterben zurückzuführen ist. Denn der Tod besteht nicht, er ist ein negativer Begriff, er ist die Verneinung des Lebens, wie der Dalles die Verneinung des Bargeldes ist. So hoch einer auch das Bargeld schätzt, niemals wird es ihm einfallen, den Dalles als Majestät zu verehren.

Die Achtung vor dem Tod hat also nur als Achtung vor dem Toten Daseinsberechtigung. Aus dieser Achtung vor dem Toten machten dann die Alten das Sprichwort: De mortuis nil nisi bene.

Sie geht auf die älteste Urform der Ritterlichkeit zurück, in die Zeit, wo die Ritterlichkeit weiter nichts war, als die Abneigung gegen Kraftvergeudung. Der Gegner war erschlagen und unschädlich, der Zweck des Kampfes war erreicht, auf dem Leichnam herumtrampeln wäre Kraftvergeudung gewesen, oder auch ein Zeichen schwacher Nerven oder eines schlechten Charakters.

Je länger es dauerte, desto mehr kamen Charakter und Nerven als Wertungsfaktoren zu Ehren und Ritterlichkeit wurde zum Erkennungszeichen der best Ausbalancierten.

Von diesen war zu erwarten, daß sie üb@ erledigten Feinde-lieber gar nichts, als Böses@ Aber das war im Grunde weniger Achtun@ Verachtung.

In diesem Falle galt es, daß Schweigen @ samer war, als Reden.

Es gibt indes Tote, von denen man alle@ nur Gutes, sagen darf und sagen soll. Das g@ nur von den Großen, die der Geschichte, @ auch von manchen Kleinen, die nur der Tages@ dem Klatsch angehoren.

Sie sind nicht mehr da, um sich zu ver@ Allerdings. Aber sie haben zeitlebens ihre @ gegen ihre lieben Mitmenschen gerührt@ Freunde und Feinde, Bekannte und Unbekannte@ dem oder weil diese nicht zugegen waren, @ Lügen von sich abzuwehren. Du weißt oft nicht, @ über Dich bei den Leuten die oder die Al@ oder Ungeheuerlichkeit in Umlauf gekommen @ Du hörst, daß sie von einem solchen Unkr@ stammt, der inzwischen das Zeitliche gesegn@ Er ist freilich nicht mehr da, um sich zu vert@ aber glücklicherweise für ihn auch nicht me@ die Ohrfeigen einzuheimsen, die er allerseits @ verdient hatte.

Wenn man über einen solchen Toten einm@ was man denkt, braucht man sich aus Rene@ angebliche Pietätlosigkeit wirklich nicht die H@ raufen.

TAGS
  • on sayings
KatalognummerBW-AK-012-2569