In dem soeben erschienenen zweiten Band der „Geschichte der Stadt und Abtei Echternach“ von Johann Peter Brimmeyr um deren Herausgabe sich Herr Dr. Heinrich Schintgen zusammen mit dem Sohn des Verfassers soviel bemüht und verdient gemacht hat, heißt es auf Seite 101 über den Abt Gregorius Schouppe (den Erbauer, wie ihn Schintgen, in seiner interessanten, vor einigen Jahren erschienenen Abhandlung nennt):
„Er soll, wie sein Lobredner nebenbei anführt, die Absicht gehabt haben, für die Zukunft jederzeit einen Maler und einen Bildhauer für Haus und Kirche der Abtei unter den Professen selbst zu besitzen, um so die Ausübung beider schönen Künste im Kloster selbst auf alle Zeiten zu sichern. Zu diesem Zweck schickte er den jüngsten Laienbruder Anselm und den Küchenjungen Philipp in die Malerschule nach Orval in die Lehre, von wo sie nachher, mit der Praxis der Kunst ziemlich vertraut gemacht, obwohl keineswegs vom wahren Geiste derselben beseelt, zurückkamen, um Wände, Kamine, Plafonds, Altäre, Mönchzellen usw. mit ihren Zerrbildern zu verunstalten. Indessen hatte Maler Philipp, seines früheren Berufes zum dereinstigen Küchenmeister stets eingedenk, es nicht verschmäht, im Kloster Orval sich einige gründlichen Kenntnisse in der edeln Kochkunst anzueignen. Sein natürlicher Scharfblick hatte ihm schon gleich anfangs gezeigt, daß er sich hier, wo alle Fleischspeisen den Mönchen untersagt waren, auf klassischer Erde für die Zubereitung von Fisch- und andern Fastengerichten befinde. Dies war für ihn eine verlockende Spezialität, der er sich mit allem Eifer hingab. Schon am ersten Freitag nach seiner Rückkehr zeigte er sowohl Sr. Hochwürden als auch den übrigen Kloster- herren, was menschlicher Kunstsinn vermag, wenn ihm ernstlich daran gelegen ist, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden, (Omne tulit punctum qui miscuit utile dulci) - und sofort überraschte er sie an jedem Fasttage mit einem neuen Porträt seiner Kunst.“
Dazu folgende Fußnote:
„Philipps Porträt, in Öl gemalt“ - Philippe à l’huile - „war lange als Überbild einer Saaltüre im ehemaligen Prälaten-Quartier des Klosters zu sehen. Heute befindet dasselbe sich im Hospital-Neubau, welchem die Familie Dondelinger die meisten Gemälde der Abtei geschenkt hat.“
Bruder Philipp war ein weiser Mann.
Er wußte vielleicht nicht, daß „die Liebe durch den Magen geht“ - aber er wußte sicher, daß die Frömmigkeit durch den Magen geht. So verband er das Nützliche mit dem Angenehmen. Der Chronist überläßt uns, zu bestimmen, welches das Angenehme und welches das Nützliche war. Von der Kochkunst Bruder Philipps scheint jedenfalls festzustehen, daß sie sowohl ein angenehmes Nützliche, wie ein nützliches Angenehme war. Er sagte sich, es sei wichtiger, daß die Welt viele guten Köche, als daß sie viele schlechten Maler hat, und er hatte eingesehen, daß das ganz besonders für seinen klösterlichen Wirkungskreis galt. Denn in der Tat, die Frömmigkeit geht durch den Magen. Schon die Einrichtung des Fastens ist ein Beweis dafür, daß der fromme Christ das Bedürfnis verspürt, mit seinem Magen fromm zu sein. Nie fühlt er sich so von seinem Schöpfer abhängig, wie wenn er vor lauter Fasten von den Beinen fällt, nie aber auch umfaßt er seinen lieben Herrgott mit so innigem Dank und so inbrünstiger Liebe, wie wenn es ihm einmal wieder recht gut geschmeckt hat. Dann ist er in der richtigen Te Deum-Stimmung, dann drängt es ihn, den Schöpfer dieser schönen Gotteswelt zu lobpreisen, seine Allmacht und Güte und alle Eigenschaften, die von ihm im Katechismus stehen, frohlockend und neidlos anzuerkennen.
Vielleicht werden in einigen alten Echternacher Familien Hechte, Salme und Forellen noch heute nach Rezepten bereitet, die von Bruder Philipp stammen. Vielleicht haben ganze Geschlechter von Frauen sich die Herzen ihrer Männer durch diese Rezepte gewonnen und bewahrt. Mit schlechten Ölgemälden von Bruder Philippe wäre ihnen das sicher nicht gelungen.
Il n’y a pas de sot métier!