König-Großherzog Wilhelm II. soll einmal von Luxemburg gesagt haben: Es ist groß in allem, worin es einem kleinen Lande gegeben ist, groß zu sein.
Und dabei wußte er noch nichts von unserer Militärmusik.
Sie ist ganz gewiß etwas, in dem auch wir groß sein können. Vielleicht das Einzige. Führen wir den Gedanken nicht näher aus, um niemand zu nahe zu treten.
Als am Mittwoch in der Kammer einige Abgeordnete zu der Verstärkung der Militärmusik ä jä jä! machten, von Größenwahnsinn und von Verschleuderung des Geldes der Steuerzahler tönten, machten sie sich nicht klar, was diese Einrichtung für uns bedeutet. Sie ist für uns kein Luxus, sie ist ein Mittel. im Ausland sub specie pulchritudinis, im Lichte der Schönheit bekannt zu werden. Lange Zeit kannte man uns nur als eine Grafschaft, deren gräflicher Herr in einer Nacht all sein Geld verjuxt hatte. Da es nur hunderttausend Taler waren, konnten wir nicht von weit her sein. Dann lernte man uns draußen kennen als das Land der Rosen. Das ließen wir uns schon lieber gefallen. Heute sind wir zu einer internationalen Notorietät durch die Großindustrie gelangt. Aber mit Großindustrie ist keine touristische Reklame für Leute zu machen, die vielleicht gerade fern von Kohle und Eisen ein paar idyllische Wochen verleben wollen. Da zogen die Rosen besser. Und da wird die Musik Wunder wirken. Wenn einmal in den Bädeckern aller Länder die luxemburger Militärmusikkonzerte drei Sterne bekommen, wenn sie draußen von uns sagen werden: Luxemburg ist das Land der Rosen und der guten Musik - dann wird unser Ruf als dreckigste Stadt der Welt dadurch vielleicht angenehm übertönt und vielleicht finden wir dann unter dem Zwang der Verhältnisse auch ein Mittel gegen den Dreck.
Wenn wir uns künftighin in der verstärkten Militärmusik ein Werkzeug der Propaganda und eine Quelle der Lust geschaffen haben werden, so müßten wir auch dafür sorgen, daß wir uns des Instrumentes öfter bedienen und daß die Quelle öfter fließe. Mit Wehmut denken die Vorkriegsluxemburger an die Sonntagnachmittagskonzerte der Militärkapelle zurück. Wer es ferrig brächte, sie in erweitertem Maßstab wieder aufleben zu lassen, hätte sich um das Vaterland verdient gemacht. Eine Stadt, die eine Kapelle, wie unsere künftige Militärkapelle, ein Lokal, wie unsern Gerele, einen Part, wie unsern Stadtpark, eine Badeanstalt mit prachtvoller Schwimmhalle usw. usw., dazu eine Umgebung, wie die von Luxemburg, mit den herrlichsten Wäldern vor den Toren der Stadt - die das alles besitzt und nicht weiß, Millionen im Jahr daraus herauszuholen, die muß eine Stadt unverbesserlicher Spießer sein.
Herr Blum meint, wir sollen unsere Militärkapelle Nationalmusik nennen. Bei uns ist das Dumme, daß wir bei all diesen Namen immer berücksichtigen müssen, ob sie auch dreisprachig standhalten. Eine Rue Jean l’Aveugle geht an, Johann der BlindeStraße ist holperig. Blannejanggaaß grotesk. Nationalmusik auf luxemburgisch klingt etwas preziös, ließe sich aber hören. Militärmusik hat das für sich, daß dabei das Element betont wird, durch das diese Kapelle groß geworden ist: die Disziplin. Wir sind nämlich in allem Dilettanten, weil wir keine Disziplin im Leib haben und das immer als eine Nationaltugend preisen. Die Militärmusik macht eine rühmliche Ausnahme. Die alten Luxemburger nennen sie noch immer „Kontgentsmusek“, für andere ist sie die „Kaseren-“ oder „Zaldotemusek“. Wie sie in Wien sagen: die Burgmusik oder die Banda kommt! Und Kinder tanzen im Reigen vor dem Kapellmeister her zu den Klängen des Nadetzkimarsches, Köchinnen schreiten leuchtenden Auges, den Korb am Arm, neben den Musikanten, auch wenn sie zufällig einmal keinen Schatz darunter haben, Bierphilister geben sich einen Ruck und setzen sich wenigstens bis zur nächsten Straßenecke in Takt - die Banda ist eine Minute lang das Vaterland, die Heimat, die Welt.
Unsere „Banda“ ist auch ein Stück Luxemburg. Der ist ein gemeiner Heuchler, der behauptet, er sei niemals Sonntags morgens von der Kontgentsmusik geweckt worden, wenn sie die Mannschaften in die Kirche führte oder sie zurückbrachte und die Tonwellen eines flotten Marsches an die Häuserfronten schlugen und durch die Straßen brausten!
Glücklich das Land, dessen Militärmusik nie in den Fall kommt, seinen Söhnen in der Schlacht zum Sturmangriff die nötige Courage anzublasen, fünf Minuten bevor der Tod sie fällen wird „wie Kräuter im Maien“.
Wie sollen wir sie nennen, diese Militärmusik, die uns vom Militär übrig geblieben ist wie die köstliche Erbschaft einer bösen Tante?
Ginge es nicht, daß man einfachhin sagte: „Die Musik“ ohne weiters? Grade, wie die Regierung allein das Recht hat, ihre Plakate auf weißes Papier drucken zu lassen, hätte sie das Recht, ihre Musik, die Musik des Landes, ohne weitere Zutaten die Musik schlechthin zu nennen.