Wer seine Junggesellenzeit oder einen Teil davon in Luxemburg verlebt hat, wird in seinen Erinnerungen für das Kapitel Kosthäuser ein eigenes Schubfach haben. Und die alten Herren, die um die Mitte des vorigen Jahrhunderts durchs Athenäum gingen, haben später nicht ohne Rührung an ihre respektiven filiae hospitales gedacht, bei denen sie ihr erstes Liebeskolleg durchschmarutzten und sich für den späteren Kampf ums erotische Dasein trainierten, in allen Ehren bitte!
Solche alten Kosthäuser, von denen wir durch mündliche Überlieferung wissen, standen zu ihren jungen Kunden und deren Familien in einem patriarchalischen Verhältnis. Ganze Bekannten- und Verwandtenkreise, Ortschaften, Kantone, Regionen waren auf dasselbe Haus eingeschworen und darin Stammgast. Als ganz kleiner Junge lernte ich während einer Oktave ein solches Haus kennen, das sich mit seinem ganzen Innern, seinem dunkeln Hausgang, seiner Gaststube in der Front und dem Eßzimmer dahinter, dessen Fenster auf den Hof des alten Gerichtsgebäudes ging, der kindlichen Phantasie des kleinen Dörflers aufdrängte als erstes Stadthaus, von dem er mehr als die Frontmauer gesehen hatte. „A Lutzen“ hieß es. Da waren der Onkel Hary und der Onkel Jang in Kost gewesen, da waren Großvater und Großmutter und Tanten abgestiegen, wenn sie den Sohn oder Bruder besuchten, und alle hatten das Empfinden, daß sie „a Lutzen“ mit zur Familie gehörten.
Später sammelte man dann seine eigenen Kosthauserinnerungen. Die alten Kosthäuser von dazumal, zwischen 1880 und 1890, schieden sich nach bestimmten Typen. Da waren zuerst die Metzgerläden mit Wirtsstube und Eßzimmer. Sie waren als Kosthäuser gesucht, weil man annahm, daß dort die Fleischnahrung aus erster Hand besser und reichlicher wäre. Sie lagen öfters abseits von besonders verkehrsreichen Straßen und Plätzen und hatten ihre ganz bestimmte Kundschaft, Leute von draußen, die hier ihre Pakete ablegten, ein Glas Bier tranken, eine Portion Preßkopf oder Wurst oder, wenn’s hoch kam, ein Kotelett aßen, mit den Wirtsleuten im Kirmeswechselverkehr standen und Kartoffeln, Butter, Eier, Schnaps, Obst und alle Erzeugnisse der Landwirtschaft heranbrachten, nicht immer zu Vorzugspreisen. Merkte der Wirt, daß sie ihn übers Ohr gehauen hatten, so wechselten sie das Lokal. Studenten, junge Beamte und Handelsbeflissene fanden sich um die Tische dieser Kosthäuser zusammen und bauten mit dem Appetit der Jugend ihre Körper auf und schlossen Freundschaften fürs Leben. Die damals mit mir in der Wirtschaft B.-B. zu Kost gingen, sind in alle Winde zerstreut, einer ging in den Kongo und wurde ein großes Tier, einer in die Türkei, einer nach Amerika, glaube ich, Gott weiß wohin die andern verschlagen wurden, und viele deckt schon der Nasen. Schön war’s doch!
Ein anderes typisches Kosthaus war das der älteren Witwe, die ein gewisses Kapital hatte, von dem sie aber nicht leben konnte. Sie mietete in einem @ Stock irgendwo ein Zimmer und machte @ Familienpension auf. Sie bemutterte ihre @ gänger, setzte ihren Ehrgeiz darein, daß alle ihr @ ihre Leistungen Komplimente machten. Um 12 @ mittags und um 8 Uhr abends strebten sie konzen@ heran, hungrig wie die Wölfe, warfen sich über @ Teller, fragten nach neuen Kartoffeln, noch @ sie den Mund leer gegessen hatten - so waren @ damals. In nicht ganz einem Jahr hatten wir @ arme Witwe bis auf den letzten Taler aufge@
Dann kommen die besseren Bauern- und Fre@ hotels, wo es nicht mehr geht, daß bloß die W@ karaffe auf dem Tisch kreist. Der Wirt, ein j@ fideles Blut vom Land, führt bei Tisch den V@ Seine Frau kocht. Gut und reichlich. Der @ erzählt Schnurren. Er zapft sich noch einen. @ Gäste trinken einen mit. An Markttagen ist g@ Trubel, das Leben ist großzügig, es schlägt @ jungen Kostgängern seine rauschenden Wellen @ die Ohren, ach Gott, Kinder, was ist denn @ morgen ist noch ein Tag, heute ist heut! Am nä@ Ersten, die Monatsrechnung, du lieber Hi@ meint der Wirt, daran bleiben wir nicht hänge@ nicht und ich nicht Bis es sich unheimlich zusam@ geläppert hat und eine gründliche Sanierung @ greifen muß. Dümmer wird keiner davon.
Und wer dann noch länger Junggeselle bleibt @ sich Stufe um Stufe hinaufsitzt, landet schließlich @ Beyens wo er mit viel interessantem Volk zusam@ trifft und vielleicht an demselben Platz Mittag @ Abend ißt, an dem Herr Bethmann-Hollweg @ August 1914 den Burgundervorrat des Hotels @ getrunken hat.