Die Vertreter sämtlicher Luxemburger Vereinigungen für Handel und Industrie, Landwirtschaft, Weinbau, also des gesamten Erwerbslebens, soweit es genossenschaftlich organisiert ist, sind auf Samstag, 23. Februar, 19 1/2 Uhr, in den Chanlilly-Sälen des Hotels Terminus-Palace in Antwerpen zu einem Festessen geladen.
Unser Landsmann Herr Dr. Daman, der in Antwerpen so eifrig und erfolgreich für immer bessere Verständigung zwischen Belgien und Luxemburg wirkt, schreibt einem der Eingeladenen über den Zweck der Veranstaltung:
„Notre initiative ne poursuit qu’un seul but: rapprocher les deux pays, puisqu’ils sont liés par une union économiquel Lier connaissance plus intimement pour faire disparaitre certains malentendus et solutionner à l’amiable les griefs inévitables de part et d’autre.“
Herr Dr. Daman hat recht. Die Bankettafel war immer das Werkzeug, mit dem am erfolgreichsten Mißstimmungen und Mißverständnisse aus der Welt geschafft wurden. Der Starke wird noch stärker, wenn er gut gegessen und getrunken hat und beim Duft des schwarzen Kaffees und der Importen seiner Zunge die Zügel schießen läßt, der Schwächere aber hält sich für gescheidter und stärker und empfindet die Niederlage gar nicht so bitter, als wenn sie ihm in der Nüchternheit des Alltags beigebracht wird. Das Kräfteverhältnis wird nicht verschoben, aber das Mißtrauen verfliegt unter dem körperlichen Wohlbehagen und der gehobenen Stimmung, und was so in Stunden verträglichen Beisammenseins, vertrauensfreudige Aufgeknöpftheit gewonnen wird, geht nie wieder ganz verloren. Wenn die Diplomatie so ausgiebig mit Banketten operiert, tut das Geschäft wohl, dasselbe Rezept anzuwenden. Und wenn am 23. Februar unsere Leute sich mit den Belgiern anbiedern, wird es unserer Gesamtwirtschaft jedenfalls nichts schaden.
Wir sind nun doch für fünfzig Jahre auf Gedeih und Verderb mit einander verbunden und müssen suchen, aus der neuen Orientierung das Beste für uns herauszuziehen. Die erste Vorbedingung ist, daß wir unsere neuen Verbündeten kennen lernen, und durch Korrespondenz oder durch rein geschäftliche Verhandlungen im Kontor lernt man einander nicht kennen. Aber eine ideale Gelegenheit dazu ist diese Zusammenkunft inter pocula in dem Emporium Antwerpen, im Bannkreis des Welthafens, der auch für uns das Sprungbrett ins Weite, in das Getriebe des Welthandels ist. An jenem Abend wird man sagen können, daß alle Abwesenden unrecht haben.
Ganz sicher werden sich viele Festteilnehmer am darauffolgenden Sonntag den Hafen ansehen wollen. Sie werden wahrscheinlich schon auf dem Bankett selbst außer den andern Spitzen der luxemburger Kolonie auch den Hafenkommissar Herrn Cuvelier und in ihm einen der verdienstvollsten Luxemburger im Ausland, tüchtigsten und liebenswürdigsten Menschen kennen lernen. Vielleicht wird er sie, wie er es vor zwei Jahren mit einer kleinen Gruppe von Landsleuten bei einer ähnlichen Gelegenheit getan hat, in seinem Boot durch den Hafen propellern, über den trotz der Sonntagsruhe die Majestät des Welthandels, die Majestät alles Riesenhaften, Erdumfassenden sich breitet. Sie werden zwischen den stählernen Leviathanen hingleiten, die mit ihren Koloßleibern halb in die Tiefe und halb in den Himmel wachsen, um die noch der Hauch der Weltmeere webt, deren ungeschlachte Schraubenflügel naiv brutal aus dem Wasser herausstehen, wie erstarrte Flossen märchenhafter Seeungeheuer. Sie werden sich als Luxemburger erst unendlich klein und schwach vorkommen in dieser Umgebung, wo alles aufs Maximum gestellt ist, aber bald wird das Gefühl der Schwäche und Zwerghaftigkeit dem Stolz darüber Platz machen, daß sie berufen und befugt sind, so gut wie andere diese gigantische Maschinerie in den Dienst ihrer Betriebsamkeit und Intelligenz zu stellen.
Ein Hinweis auf die Bedeutung der Zusammenkunft vom nächsten Samstag war nötig, um allen Interessenten zum Bewußtsein zu bringen, was sie durch ihr Fernbleiben in ihrem eigenen Interesse und im Interesse des Landes versäumen würden. Wir sollten es endlich einmal aufgeben, alles durch die Regierungen und ihre Organe besorgen zu lassen, und sollten alles aufbieten, dabei zu sein, wenn die wirklich Werktätigen zusammen raten und taten.