Jemand gießt im „Luxemburger Wort“ eine Kaffeetasse voll beißenden Spotts über das neue Mädchenlyzeum aus.
Es ist ihm vor allen Dingen zu groß. Aber da muß er sich bei einem von seinen eigenen Leuten beklagen, dem Stadtarchitekten, der die Pläne angefertigt hat. Dieser ist doch sicher gut rechts gesinnt, und er hot die neue Anstalt sicher nicht so groß gebaut, um sie durch die hohe Bausumme bei der Einwohnerschaft in Mißkredit zu bringen, sondern weil ihm seine studien zu der Überzeugung geführt haben, daß eine moderne Anstalt dieser Art so gebaut werden muß, um ihrem Zweck zu entsprechen.
Der Mann im „Wort“ erzählt nicht alles. Er sagt, er habe einem „kleinen, beweglichen Männchen“, dem er seine Meinung über das Mädchenlyzeum gesagt hatte, seinen Steuerzettel gezeigt, um zu beweisen, daß er es mit bezahle, also ein Recht habe, sich darüber zu ärgern.
Er sagt nicht, was ihm das kleine bewegliche Männchen darauf geantwortet hat.
Das kleine bewegliche Männchen zog nämlich ebenfalls seinen Steuerzettel heraus und sagte: „Seben Sie, ich habe auch die schöne Kirche auf Limpertsberg mit dem Pfarrhaus daran bezahlen helfen, obgleich ich nie den mindesten Gebrauch davon mache, ich werde auch die neue Kirche im Bahnhofviertel mit bezahlen helfen, und wenn einmal beschlossen wird, zum Beispiel ein neues Seminar zu bauen, so werde ich auch dazu mein Scherflein beitragen, ohne aufzumucken.“
„Das ist aber doch ....“
„Nein, das ist ganz genau dasselbe. Sie wollen keine Frau, die Humaniora studiert hat. Das sind Ihre Sachen. Ein junges Mädchen studiert überhaupt nicht Humaniora zu dem speziellen Zweck, sich einen Mann zu kapern, sondern um nachher unabhängig leben zu können, ohne sich einen Mann kapern zu müssen.“
„Für Haus und Familie ....“
„Für Haus und Familie ist es besser, die Frau lernt Haushalten, statt Latein und Griechisch, das meinen Sie doch? Aber damit jede Frau ihre Rolle als Gattin und Mutter spielen könnte, müßte wahrscheinlich die Vielweiberei eingeführt und für jede Heiratslustige von Staats wegen eine Mitgift und Aussteuer bereitgestellt werden, die verlockend genug wären, damit die Junggesellen anbissen. Glauben Sie nicht, daß das uns Steuerzahler teurer zu stehen käme, als ein Mädchengymnasium?“
„Ja, aber ....“
„Sie haben recht. Sie wollten doch wohl sagen, daß nicht alle jungen Mädchen, auch wenn sie nicht im Lyzeum waren, zur Rolle der Hausfrau taugen. Sehen Sie, die jungen Mädchen, die auf Grund ihrer Studien nachher eine Stelle beanspruchen, müssen ihre Befähigung dazu in strengen Prüfungen nachweisen. Aber eine, die „nur“ Hausfrau und Mutter werden will, braucht nichts dergleichen, sie darf ohne jegliche Prüfung in dies schwierigste aller Frauenämter hineinspringen. Sie kann nicht kochen, sie kann nicht haushalten, sie hat von Kinderpflege keinen Dunst, sie lernt das alles allmählich, auf Kosten des Mannes und auf Kosten der Kinder, die sie bekommt. Sehen Sie, wenn also auch einmal eine Lyzeistin später das Glück zu zweien findet, trotzdem sie sich vorsichtshalber auf den Fall vorbereitet hatte, wo sie den Mann ihrer Wahl nicht fände, so braucht sie keine schlechtere Gattin und Mutter zu werden, als so viele andere, die zwar nicht griechisch und latein, aber auch nicht kochen und Kinder wickeln gelernt haben.“
„Es muß doch aber demütigend für den Mann sein ....“
„Daß eventuell seine Frau mehr weiß, als er? Wie schief sind Sie gewickelt! Als ob im Verhältnis der Geschlechter zu einander das Wissen, die Gelehrtheit die mindeste Rolle spielte! Hat es nicht Leuchten der Wissenschaft gegeben, die hilflos unterm Pantoffel standen, und umgekehrt Franen, die an Bildung ihren Männern haushoch überlegen und doch Wachs in deren Händen waren? Mein lieber junger Mann, ich will Ihnen was sagen: Bei den Cowboys im amerikanischen Westen sagen sie von einem wilden Pferd, es muß erst gebrochen werden - to break a hose - das heißt gebändigt, gezähmt, an den Reiter gewöhnt. Nur die geschickten Reiter können es, die mit Pferden umzugehen wissen, bei jedem das Temperament, die Launen, die Tugenden und Untugenden herausfinden und es demgemäß behandeln. Die „brechen“ sich ihre Pserde selbst, die andern wollen nur Pferde haben, die schon „gebrochen“ sind.“
„Ich verstehe Sie nicht ....“
„Junger Mann, ich habe Sie im Verdacht, Sie gehören zu denen, die es bequemer finden, fertig gebrochene Pferde zu reiten. Sie wären ein schlechter Cowboy geworden.“
Darauf ging das kleine bewegliche Männchen von dannen: der Plauderer des „Luxemburger Wort“ sah ihm offenen Mundes nach, schüttelte den Kopf und murmelte:
„Was er wohl damit sagen wollte?“