Aller Beginn ist von Anfang. Daran ist nicht zu rütteln.
Aber wo liegt in jedem einzelnen Fall der Anfang? Ist der Anfang zum Beispiel beim Fisch der Kopf oder der Schwanz? Oder die Mitte?
Wenn ich von A nach B gehen will, ist selbstverständlich der Anfang A und umgekehrt. Strebe ich vom Zentrum nach der Peripherie, so beginne ich unweigerlich im Zentrum. Und umgekehrt. Will ich mir aber den ganzen Inhalt der Kugel oder des Kreises zu eigen machen, so mache ich den Anfang fraglos am besten im Zentrum, von innen heraus.
Wo das hinaus soll?
Einen Moment, bitte.
Mir kam kürzlich das alte Handbuch in die Finger, aus dem wir seinerzeit Geschichte lernten. Es fing an mit den alten Phöniziern, wie sie das Segeln und Glasmachen erfanden. Dann war da die Bibel. Wir wußten im grauen Altertum und über Amalekiter, Kanaaniter und Midianiter, sogar über die Bundeslade und alles, was im Vorhef des Tempels der alten Israeliten und im Allerheiligsten stand, sehr genau Bescheid, aber vom Klöppelkrieg, von der belgischen, französischen, österreichischen, spanischen Zeit, von unserer fränkischen und keltischen Vergangenheit wußten wir keinen Deut. So weit waren wir nicht gekommen.
Denn wir waren in der Geschichte von der Peripherie, statt vom Zentrum ausgegangen.
Soll denn aber der Geschichtsunterricht nicht sein eine Inbewegungsetzung, eine Belebung alles Weltund Zeitgeschehens vom Zentrum der Heimat und der Gegenwart aus? Soll nicht alles, was wir in der Geschichte lernen, uns dadurch eingeprägt werden, daß es in Beziehung zu unserm nächsten Umkreis gebracht wird?
Wann kommt der kühne Schulreformator, der diese Umkrempelung durchsetzt und seinen Geschichtsunterricht, statt im Neandertal, auf dem Knodlergarten anfängt, von innen nach außen vorgeht, statt von außen zu beginnen und auf halbem Weg stehen zu bleiben? Das große Draußen, das ist eine Zeit und eine Welt, die dem Interesse des Lernenden sternenfern liegt. Er hängt damit total in der Luft. Nichts darin hat eine Schwingung, die in die räumliche und zeitliche Gegenwart auszittert. Der Schüler ist aufs Ochsen angewiesen, wenn er nicht das Glück hat, einem Lehrer in die Hände zu fallen, der Geschichte nicht als ein Totes, sondern ein Lebendiges, Werdendes auffaßt.
Beginnt indes der Unterricht von innen, vom Allernächsten, knüpft er an Bekanntes, Gegenwärtiges, täglich Erlebtes an, so spinnt er seine Fäden von der Spule des Lebens, tritt auf die feste Sprosse einer sicht- und greifbaren Wirklichkeit und bringt alles Weitere damit in organischen Zusammenhang. Welch ein Gewinn wäre es, wenn zum Beispiel von den Höhen von Kirchberg oder Gibraltar oder Alttrier, Dalheim, Scheuerberg die Phantasie Schritt vor Schritt zurückgeleitet würde in die Jahrhunderte, deren Spuren der Boden noch birgt, bis an den Rand der Zeiten, wo dann die Geschichte aufhören würde, statt daß sie heute dort beginnt.
Sollte sich der Geschichtsunterricht nicht ein Beisviel an unserm körperlichen Sehen nehmen, das den Umkreis auch vom Nächsten zum Fernsten durchmißt und begreift, von dem, was unsere Hände berühren bis zum Horizont, der im Nebel verdämmert?
Aber ach, es wäre zu einfach!