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9. März 1924

Durch die Presse ging dieser Tage die Meldung von einem Duell, das zwei italienische Journalisten aus Paris an unserer Grenze ausgefochten haben. Sie hatten den Mut, sich eventuell gegenseitig totzustechen, nicht aber, sich einer gerichtlichen Verfolgung in Frankreich auszusetzen, und darum verlegten sie den Schauplatz ihres Deliktes ins Ausland und übertraten die Grenze, um ungestraft das Gesetz zu übertreten.

Unser Ländchen hat von jeher den Raufdegen der Nachbarstaaten als Paukboden gedient. Man wußte schon lange in Pariser Kavalierskreisen, um wieviel Uhr man abends an der Gare de l’Est den Zug besteigen muß, um des andern Morgens früh auf luxemburger Gebiet eventuell ein paar Zoll spitzen Stahl oder ein paar Lot Blei zwischen den Rippen zu haben.

Das war auch schon so, lange bevor es in Paris eine Gare de l’Est gab. So verdankt es beispielsweise ein Zweig der Familie de Villers dem Duell, das ein Vorfahre im Luxemburgischen ausfocht, daß er in unserm Ländchen ansässig wurde.

Jean Charles de Villers, Graf von Grignancourt, Ritter von St. George und St. Ludwig, war Oberstleutnant im Regiment von Bassigny und einer der bekanntesten Edelleute am Versailler Hof unter Ludwig XIV. Er war ein Vetter des Herzogs von Choiseul und hatte 1712 Marie Consin, die reiche Witwe des Großschatzmeisters der außerordentlichen Kriegskasse geheiratet, die kurz darauf starb. Er wurde in einem Duell an der luxemburgischen Grenze nerwundet. Einzelheiten über den Verlauf des Zweikampfes und über den Gegner sind nicht bekannt. Nur so viel steht fest, daß der verwundete Graf bei dem luxemburgischen Edelmann Messire von Baur von Kitzingen, dem Besitzer der Eisenwerke von La Sauvage, Aufnahme fand und drei Jahre später dessen Schwägerin, die Baronin Beatrix Franziska de Haen heiratete. Seine Kinder waren Jean de Villers und Anne Marie Camille de Villers, die nach dem Tode ihres Vaters auf Schloß Burgesch bei Lothar Ignaz de Haen wohnten. Anne Marie Camille de Villers heiratete auf Schloß Everlingen bei Redingen einen Baron Henry d’Huart, der in Spanien unter Karl III. focht und nachhaus hatte kommen müssen, weil ein Jäger der Abtei von Orval auf dem Gebiet der Baronie von Joinvigne, die d’Huart gehörte, einen Hasen geschossen und damit einen Prozeß entfacht hatte, der sechs Jahre dauerte und 30 000 Livres kostete. Ein Sohn dieses Henry d’Huart kam als Offizier nach Spanien, wo er ebenfalls in eine sehr abenteuerliche Duell- und Liebesgeschichte verwickelt wurde.

Ein anderes interessantes Duell, das an unserer Grenze zwischen zwei Pariser Lebemännern stattfand, war das Duell des Barons Georges de Heeckeren gegen den Fürsten Dolgorukij, den Bruder der «Grando Mademoiselle», die in zweiter Ehe den Kaiser Alexander von Rußland heiratete und deren Tochter die Gemahlin des Grafen von Merenberg ist.

Pikantes Detail: Die Mutter des Grafen Merenberg war die Tochter des großen russischen Dichters Alexander Puschkin. Puschkin wurde am 7. Januar 1837 von dem Baron Dandés-Heeckeren, einem Adoptivsohn des holländischen Gesandten in Petersburg, erschossen. Dieser Dandés-Heeckeren war der Vater des Barons Georges de Heeckeren, der mit dem Fürsten Dolgorukij das Duell an der luxemburgischen Grenze ausfocht. Fürst Dolgorukij erhielt eine Kugel in die rechte Schulter.

Als drittes berühmtes Grenzduell mag hier die Pistolenmensur zwischen den zwei luxemburger Politikern de Scherff und de Blochausen erwähnt sein. Es fand 1872 im Wald bei Hagen, in der Nähe von Hellingen, statt. Die Gegner hatten diesmal, umgekehrt wie die Franzosen, den luxemburgischen Boden verlassen und sich dicht an unserer Grenze im Ausland geschlagen.

Auch ein Stücken aus der guten alten Zeit.

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