Original

14. März 1924

Der Remicher Karneval hatte ein aufregendes Nachspiel, das wahrhaftig verdiente, verfilmt zu werden. Um den Titel bräuchte man nicht verlegen zu sein. „Die Karbidlampe um Mitternacht“ - „Das sidele Café am Brückenkopf - „Das verlorene Lotterielos“ - „Krdjeß, Jampier breng nach een Flesch“ - „Wenn der Himmel voller Geigen häng!“ usw. usw.

Das Scenario könnte etwa folgendermaßen lauten, wobei zu bemerken ist, daß es sich ganz genau an die Wirklichkeit anlehnt:

1. Szene: Eine Abordnung des Karnevalsausschusses, Unterabteilung Losfechter, erscheint im Büro des Direktors der Caves St. Martin und fragt, ob der Herr nicht so freundlich sein will, wieder ein Gewinnlos zu stiften. Der Herr Direktor schreibt sofort eine Ordre an den Kellermeister: Bitte Herrn Malermeister Mohr als Gewinnlos für den Fastnachtszug 1924 100 Flaschen Sant Martin gratis und franko zu verabfolgen. - Herr Mohr tut einen Freudensprung. Der Herr Direktor gibt eine Flasche zum besten.

2. Szene: Ein noch junger Winzer aus dem Hof Remich wird von einem Losverkäufer angehalten und muß ihm eine Handvoll Lose abkaufen. Für den Film wird der Verkäufer vorteilhaft durch eine Verkäuferin ersetzt. Mit etwas Phantasie wäre das Ganze durch eine Heirat zwischen dem noch jungen Winzer und der Verkäuferin zu krönen.

3. Szene: Vorführung der Auslosung. - Glücksrad. - Unschuldige Kinder, die hineingreifen. Ein Los des noch jungen Winzers gewinnt die 100 Flaschen Champagner: Nr. 1593.

4. Szene: Wegen der vorgerückten Stunde ist es zu verzeihen, daß der eine oder andere eine Ziffer verwechselt.

5. Szene: Im Café Klopp an der Brücke geht es hoch her. Der junge Winzersmann reibt sich ein übers andere Mal die Hände, sagt innig: „Krdjeß!“ und versichert seinen Nachbarn und Nachbarinnen, der Himmel hänge voller Geigen.

6. Szene: Ein Mitglied des Festausschusses kommt herein und teilt mit, die 100 Flaschen Champagner seien auf Nr. 1543 gefallen. Die Auswechselung der 9 gegen die 4 ist technisch besonders anschaulich zu machen.

7. Szene: Der junge Winzer sagt: „Krdjeß, dann brauche ich meine Nummern nicht aufzuheben!“ Hier wäre ein Bild einzuschalten: Die hübsche Verkäuferin taucht langsam aus dem Hintergrund auf und macht dem jungen Winzer eindringlich warnende Zeichen. Er versteht nicht, zerknüllt seine Lose und wirft sie auf den Fußboden. In einem Close-up, wie die Amerikaner sagen, sieht man Füße, große und kleine, in genagelten und ungenagelten Schuhen, über die zerknüllten Lose hintrampeln, die Nummer 1593 ist mehrmals in Gefahr, an einem Schuhabsatz verschleppt zu werden.

8. Szene: Kehraus im Café Klopp. Die letzten fahren um 7 Uhr im Auto nach der Richtung Serrig ab. Herr Klopp dreht die Lampen aus und sagt zu seiner Frau: „Nimm die Kasse, wir gehen ins Bett, morgen ist noch ein Tag.“ Es steht im Belieben der Regie, diese Szene weiter auszuführen.

9. Szene: Im Morgen-Zwielicht. Das Dienstmädchen stellt die Stühle auf die Tische, kehrt Café und Eßzimmer, füllt das Kehricht in einen Eimer und schüttet den Inhalt am Moselufer aus.

10. Szene: Das Gewinnlos 1593 liegt oben auf dem Kehrichthaufen im hellen Tag. wird vom Wind verweht und wieder zurückgeweht, von Kindern aufgenommen und wieder hingeworsen, kurzum, besteht die unerhörtesten Gefahren, bei denen die Zuschauer eine Gänsehaut nach der andern überläuft. Die hübsche Verkäuferin sitzt zuhause und weint.

11. Szene: Im Café Klopp, fidele Nachfeier Aschermittwochs abends, nachdem die Fastnacht in Gestalt eines Strohmannes brennend die Mosel hinunter geschwommen. Ein Ausschußmitglied kommt und verkündet die richtige Gewinnummer. Der junge Winzer flucht. Im Hintergrund erscheint mit betrübtem Gesichtsausdeuck die hübsche Verkäuferin. Ein Gast nimmt die Sache energisch in die Hand, verhört das Dienstmädchen, sofort bildet sich ein Zug nach dem Moselufer zu dem Kehrichthaufen, der Wirt mit Karbidlampe an der Spitze. Aus diesem Auftritt sind kolossale Effekte herauszuholen, wie jeder Sachkundige sosort einsehen wird.

12. Szene: Auffindung des Loses. Es wird im Triumph zurückgetragen. Der junge Winzer reibt sich die Hände, sagt „Krdjeß“ und versichert, der Himmel hänge voller Geigen. Im Hintergrund erscheint die hübsche Verkäuferin mit verklärtem Gesicht, glückstrahlenden Augen und segnenden Händen.

Den Rest kann die Regie nach Gutdünken ausgestalten. Natürlich wird ein starker Prozentsatz des Gewinnes sofort erledigt.

Der junge Winzer hatte Glück, wie Sie sehen Soll das vielleicht damit zusammenhängen, daß er der Hof Remich einer der treuesten Abonnenten der „Luxemburger Zeitung“ ist?

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KatalognummerBW-AK-012-2606