Wir prahlen gelegentlich gerne damit, daß Luxemburg eine Musterkarte landschaftlicher Schönheiten sei, daß nirgends die Gegensätze so mannigsach und so nahe bei einander liegen: Ebene und Hügellandschaft, das Idyll ländlicher Unberührtheit neben dem lärmvollen Umtrieb der Industriegegend, Nord und Süd, Ost und West, jedes in scharf bestimmter Eigenart.
Das klang manchmal stark nach Überhebung. In diesen Tagen aber ist es wahr, wenigstens, was zum Beispiel Mosel und Ösling betrifft. Man könnte ruhig dafür Riviera und Sibirien setzen.
Meergrün treibt die Mosel unter dem peinlich saubern Märzhimmel. Sie führt noch Schneewasser und läuft über die Kribben, in einer unsäglich sanft gebogenen Fläche, die in heiteres Gewelle sich auflöst, wie das Scheitelhaar einer schönen Frau nach, unten in neckische Locken ausläuft. Wo keine Strömung hinreicht, prickelt das Sonnenlicht auf dem windgekräuselten Spiegel. Das Uferröhricht biegt sich spielerisch schwankend in die Richtung der Flut, glucksend quellen Wirbel auf, rund, wie die Ringlein, die ein Raucher träumend in die Luft stößt, tanzen mutwillig in der Strömung talab und vergehen. Auf dem grünen Geheimnis des Stroms treibt mit zwei schweigsamen Fischern ein Nachen, klar und scharf hallt es im Tal, wenn die Bleikugeln des Wurfnetzes an die Nachenwände schlagen, der alte Schlepper „Boppard“ kommt wie ein riesiger Schwan talab, peitscht die Wellen zu weißgrünem Schaum, wirft lange Wasserschollenfurchen in spitzem Winkel ans Land, schleppt ein Kalksteinschiff zu Tal, auf dem die Schiffer sich die Kehlen herausschreien, wie es alle Schiffer tun, sie wissen nicht warum. An den Uferhängen, die noch glitschig verschlammt sind, bezeichnet ein Streifen von dürrem Schilf und angetriebenen Reisigstückchen die Grenzlinie des letzten Hochwassers. Noch eine Woche oder zwei, und der Rasen wird zu grünen anfangen und sich mit Maßliebchen bestirnen. Ein Bussardpaar entfliegt hoch oden über der zerklüsteten Felswand dem verwilderten Gestrüpp, in dem eine nie beunruhigte Fauna ein Urwalddasein führt, schwebt kreisend über dem Strom und zieht schrille Rufe wie flatternde Bänder hinter sich her, ein Mann steht im Weinberg und spitzt die schadhaften Rebpfähle neu zu, seine Hacke macht bei jedem Hieb ein Geräusch, das klingt, wie ein trockener Husten, da und dort bewegt sich im Hang eine Frauengestalt in abenteuerlichem Überwurf, .... und über alledem leuchtet festlich die junge Märzsonne, die einmal zeigen will, was sie vermag, aber ihr Bruder, der Unband von Märzwind, läßt sie mutwillig nicht zur Geltung kommen, nimmt stromabwärts seine Anläufe, stürmt brausend herauf, kämmt den Strom gegen den Strich und zaust an allen Rockzipfeln und losen Locken und trachtet darnach, den Leuten die Hüte vom Kopf zu reißen. Nur um die Ecke, wo er nicht hinkann, liegt, eine Strecke warmen Sonnenkandes, da wirkt sich die Sonne liebevoll aus, warm wie im Juni, da steht man sich um, ob nicht schon die ersten Veilchen an den Hecken blühen. Weiß wie von Opferaltären steigt der leuchtende Rauch der Feuer in den Ackern, und ganz unten, an der Strombiegung, sitzen sie schon auf der bekannten Terrasse in windgeschützter Ecke und trinken „gebompelten“ Einundzwanziger, und blinkende Autos fahren straßauf straßab mit frohen Menschen, denen der Sonntag auf den Gesichtern steht.
Und am andern Tag lesen wir im Kammerbericht:
„Hr. Boewer. - Ich möchte die Regierung fragen, was sie zu tun gedenkt, damit in unserer Gegend endlich wieder der Verkehr auf den Straßen ermöglicht wird, die seit Wochen total verschneit sind.
„Hr. Prüm. - Ich kann aus eigener Anschauung bestätigen, was Herr Boewer sagt. Der Schnee liegt stellenweise bis zwei Meter hoch, der Verkehr von Ortschaft zu Ortschaft ist unterbunden.
„Hr. Thinnes bestätigt das Gesagte, und wenn Herr Mathieu zugegen wäre, würde er es ebenfalls bestätigen.“
Und da gibt es Luxemburger, die nach Helsingfors fahren und andere, die nach Nizza und Korsika fahren! Wo wir das alles so viel näher und billiger im eigenen Land haben!